Nahrungsergänzungsmittel gibt es in Form von Kapseln oder Tabletten. © PantherMedia
Die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln ersetzt niemals eine gesunde Ernährung. © PantherMedia
Viele Menschen versprechen sich von Nahrungsergänzungsmitteln eine gesündere Lebensweise, ohne etwas an der eigenen Ernährung ändern zu müssen. Wie sie wirken und was zu beachten ist:
Welche Nahrungsergänzungsmittel gibt es?
Grundsätzlich gibt es keine einheitliche Definition für den Begriff Nahrungsergänzungsmittel. „Auch in der Wissenschaft herrscht diesbezüglich kein Konsens“, erklärt Hans Hauner, Professor für Ernährungsmedizin an der Technischen Universität München. Die gängigsten Nahrungsergänzungsmittel sind Vitamine (C, D, E, B12), Spurenelemente (Eisen, Magnesium, Zink), Öle (Omega 3, Linolensäure) und Proteine. In der Regel handelt es sich also um Nährstoffe in Form von Kapseln oder Tabletten. Rechtlich gesehen gelten Nahrungsergänzungsmittel als Lebensmittel. Daher unterliegen sie dem Lebensmittelrecht, nicht dem strengeren Arzneimittelgesetz. Somit benötigen Hersteller keine spezielle Zulassung, sondern lediglich eine Registrierung beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR).
Reicht es, wenn man sich
normal ernährt?
Wer sich gesund und ausgewogen ernährt, benötigt in der Regel keine Nahrungsergänzungsmittel. „Einige Leute nehmen Nahrungsergänzungsmittel gegen ihr schlechtes Gewissen und ernähren sich ansonsten ungesund”, sagt Silke Noll, Fachberaterin für Ernährung von der Verbraucherzentrale Bayern. Nahrungsergänzungsmittel stellen keinen Ersatz für eine gesunde und abwechslungsreiche Ernährung dar. Die Hersteller sind sogar verpflichtet, diesen Hinweis mit auf ihre Produkte zu drucken. Für eine ausreichende Zufuhr an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen empfiehlt die Verbraucherzentrale stattdessen die „Five-a-day-Formel” – also fünfmal täglich Obst oder Gemüse.
Wann sind Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll?
In Einzelfällen, zum Beispiel bei Lebensmittelunverträglichkeiten, kann eine Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln notwendig sein. „Aber nur, wenn die richtigen Personen die richtigen Nährstoffe in der richtigen Menge einnehmen”, sagt Silke Noll vom Verbraucherschutz. Die Nahrungsergänzungsmittel sollten jedoch nicht nach dem Gießkannenprinzip, sondern gezielt zum Einsatz kommen. Ein häufig unterschätzter Mikronährstoff ist laut Ernährungsmediziner Hauner Jod: „Es gibt in der deutschen Bevölkerung weiterhin einen moderaten Jodmangel, der auch durch jodiertes Speisesalz nicht völlig behoben wird.” Nach Absprache mit dem Arzt kann die Einnahme von Jodtabletten deshalb ratsam sein. Hauner empfiehlt zudem Vitaminpräparate für ältere Menschen ab 65 Jahren.
Wie macht sich ein
Mangel bemerkbar?
Ein Nährstoffmangel äußert sich meist durch unspezifische Symptome wie Müdigkeit, Kopfschmerzen und Schlafstörungen. Im Fall von Eisen können brüchige Nägel und Haarausfall ein Alarmsignal sein. Ein Mangel an Vitamin D führt bei manchen Menschen hingegen zu depressiven Verstimmungen. Hat der Körper zu wenig Vitamin B12, sind Hautveränderungen, Zungenbrennen und ein Taubheitsgefühl oder Kribbeln in den Armen und Beinen möglich. Häufige Erkältungen können auf einen Mangel an Vitamin C hindeuten. Eindeutig kann ein Mangel jedoch nur durch Blutabnahme abgeklärt werden. „Nur so können andere Ursachen ausgeschlossen werden“, betont Ernährungsmediziner Hauner. Es sei jedoch nicht sinnvoll, Nahrungsergänzungsmittel präventiv zu nehmen, sondern vielmehr auf eine ausgewogene Ernährung zu achten.
Kann man Nahrungsergänzungsmittel überdosieren?
Heute werden vielen Lebensmitteln zusätzliche Nährstoffe hinzugefügt. „Es gibt zum Beispiel Margarine, die mit Vitamin B12 oder Folsäure angereichert ist”, sagt Hauner. Wenn dann noch zusätzlich Nahrungsergänzungsmittel eingenommen werden, ist eine Überdosierung möglich. Die Folgen sind nur wenig erforscht. Häufig scheidet der Körper überflüssige Nährstoffe wieder aus. Bei fettlöslichen Vitaminen wie zum Beispiel Vitamin A oder D gibt es aber Studien, die von Organschäden oder Herzrhythmusstörungen berichten. Das Robert Koch-Institut und das BfR warnen vor einer Überschreitung des auf der Packung angegebenen täglichen Bedarfs. Silke Noll von der Verbraucherzentrale weist zudem auf mögliche Wechselwirkungen zwischen Nahrungsergänzungsmitteln und Medikamenten hin: „Unter Umständen kann das die Arzneimittelwirkung sogar aufheben oder verstärken.”
Worauf sollte man
beim Kauf achten?
Medikamente durchlaufen einen langen Prozess mit strengen Prüfungen, bevor sie zu kaufen sind. Für Nahrungsergänzungsmittel gilt das nicht. „Es gibt erhebliche Qualitätsunterschiede, teils sogar Verunreinigungen”, sagt Hauner. Er warnt vor allem vor Produkten aus dem Ausland, die übers Internet angeboten werden. Sicherer sei es, Produkte bei Bedarf in der Apotheke oder im Drogeriemarkt zu kaufen. „Meist ist es aber in der Apotheke nur teurer, nicht besser”, sagt Verbraucherschützerin Noll. Tipp: Schauen Sie mal auf der Homepage klartext-nahrungsergaenzung.de nach. Dort informiert die Verbraucherzentrale regelmäßig über aktuelle Trends.
Wie glaubwürdig sind die Versprechen der Hersteller?
Hersteller dürfen eigentlich keine Versprechen zu ihren Produkten machen, sondern nur auf die Wirkungen einzelner Inhaltsstoffe hinweisen, die in der EU anerkannt sind. „Die EU entscheidet selbst darüber, was wissenschaftlich gesichert ist. Ein Hersteller kann noch so viele Studien über die Wirkung seines Produkts durchführen, werben darf er damit nicht”, sagt Rechtsanwalt Jannik Pfannenstiel, Experte für Lebensmittelrecht. Viele Hersteller weichen stattdessen auf Kundenerfahrungen aus. Doch auch das sei unzulässig, wenn es über die von der EU genehmigten Aussagen zur Wirkung hinausgehe und sich die Hersteller die Aussagen zu eigen machen, erläutert Pfannenstiel. Genauso sei es bei Influencern, die gegen Bezahlung von positiven Erfahrungen auf Social Media berichten. „Die Aufsichtsbehörden kommen da mit der Kontrolle nicht hinterher.” Nahrungsergänzungsmittel haben ein positives Image – auch durch solche Werbung. Doch die Studienlage ist äußerst dünn. Bei konkreten Versprechen ist also auf jeden Fall Vorsicht geboten.
Wie sinnvoll sind Magnesium, Vitamin D und Proteinpulver?
„Magnesium ist in vielen pflanzlichen und tierischen Nahrungsmitteln enthalten, wir sind eigentlich alle gut damit versorgt”, sagt Ernährungsmediziner Hauner. Viele Menschen nehmen Magnesium gegen Krämpfe. Dass dies wirklich helfe, sei aber eher eine Legende. „Vor allem bei Jüngeren oder Menschen im mittleren Erwachsenenalter ist das eigentlich gar kein Thema”, sagt Hauner. Bei älteren Menschen sollte zunächst geklärt werden, ob Magnesiummangel wirklich die Ursache für häufige Krämpfe ist.
Etwas anders sei die Lage bei Vitamin D, das in der Haut mithilfe von Sonnenlicht gebildet wird. „Da haben tatsächlich viele Deutsche einen Mangel, besonders im Winter”, sagt der Mediziner. Doch auch hier sei es sinnvoll, zuvor das Blut überprüfen zu lassen und dann erst zielgerichtet gegenzusteuern. Ab 65 Jahren empfiehlt Hauner jedoch eine generelle Einnahme von Vitamin D.
Viele erhoffen sich von Proteinpulver einen schnellen Muskelaufbau. Doch Silke Noll von der Verbraucherzentrale Bayern sagt: „Wir essen von morgens bis abends Produkte, in denen Proteine drin sind, übrigens nicht nur Fleisch, auch Pflanzen. Das reicht im Normalfall völlig aus, wenn man kein Profisportler ist.” Überschüssige Proteine kann der Körper nicht speichern und muss sie wieder ausscheiden. „Das kann für die Niere bei großen Mengen zur Belastung werden und am Ende sogar schaden.”
Welche Nahrungsergänzungsmittel sind bei pflanzlicher Ernährung sinnvoll?
Menschen, die sich vorwiegend pflanzlich ernähren, müssen besonders auf eine ausreichende Zufuhr von Vitamin B12 und Jod achten. Da Vitamin B12 ausschließlich in tierischen Produkten natürlicherweise enthalten ist, sollten vor allem Veganer auf Supplements zurückgreifen. Bei einer vegetarischen Ernährung ist dies nicht zwangsläufig nötig. Hauner empfiehlt in diesem Fall jährliche Kontrollen beim Arzt: „Der Verzehr von Eiern und Milchprodukten kann für den täglichen Bedarf an Vitamin B12 ausreichen, das hängt jedoch von der konsumierten Menge ab.“ Die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln ist somit nicht immer notwendig. Inzwischen gibt es sogar immer mehr pflanzliche Ersatzprodukte, denen das Vitamin zugesetzt ist. Im Fall von Jod kann sowohl für Veganer als auch für Vegetarier eine Supplementierung sinnvoll sein – vor allem beim regelmäßigen Verzehr von Ersatzprodukten auf Basis von Soja. Denn neben einigen Kohlsorten können auch Sojaerzeugnisse die Aufnahme des Spurenelementen hemmen.
Wie sinnvoll ist
die Vitaminspritze?
Mit der Vitaminspritze werden Nährstoffe direkt in die Blutbahn gespritzt. Ernährungsmediziner Hauner hält dieses Vorgehen in den meisten Fällen für überzogen und warnt vor potenziellen Gefahren. Einige Anbieter würden sogar behaupten, mittels Vitaminspritze Krebs heilen zu können. „Das ist nicht nur völlig falsch, sondern kriminell. Patienten verpassen damit nicht nur die Chance auf eine wirksame Therapie, sie riskieren auch ihr Leben.“ Nur in Ausnahmefällen – etwa bei starkem Vitaminmangel durch Unverträglichkeiten oder extrem einseitige Ernährung – könne die Vitaminspritze sinnvoll sein. Dieser hochgradige Mangel müsse aber ärztlich bestätigt sein und die Infusion von medizinischem Personal durchgeführt werden.