Neue Hoffnungen bei Schlaganfall

von Redaktion

Albtraum Schlaganfall: Zu den Risikofaktoren gehört auch das Vorhofflimmern. © PantherMedia

Schlaganfallpatienten wie dieser Mann erleiden häufig Lähmungen an Armen und Beinen. In der Rehabilitation müssen sie unter Anleitung von Physiotherapeuten viel üben, um ihre Körperfunktionen zu trainieren. © Mauritius Images

Die Folgen eines Schlaganfalls können dramatisch sein. Fast 80 Prozent der Patienten sind nach dem GAU im Kopf körperlich und neurologisch eingeschränkt. Neben Sprachstörungen treten Behinderungen wie Lähmungen der Arme oder Beine als die häufigsten langfristigen Probleme auf. Die Behandlungsmöglichkeiten haben sich in den letzten Jahren enorm verbessert. Entscheidend ist nach wie vor, wie und wie schnell ein Patient behandelt werden kann. Und da kann Prof. Wolf-Rüdiger Schäbitz, Direktor der Universitätsklinik für Neurologie am Evangelischen Klinikum Bethel in Bielefeld, Hoffnung machen: „Die Schlaganfallversorgung hat Quantensprünge gemacht.“

„Time is brain – Zeit ist Hirn“, so ein klassischer Satz der Neurologen bei einem Schlaganfall. Denn besteht der Verdacht auf einen Hirninfarkt, muss die Behandlungskette funktionieren. „Die Behandlung eines akuten Schlaganfalls sollte unbedingt auf einer zertifizierten Stroke Unit, einer Schlaganfall-Spezialstation, erfolgen“, sagt Schäbitz, Regionalbeauftragter der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe.

Das Problem: Millionen von Nervenzellen sterben Minute für Minute ab. Je nachdem, welcher Bereich des Gehirns betroffen ist, können wichtige Funktionen verloren gehen. „Wir müssen wissen, was genau an welcher Stelle passiert“, so der Neurologe. Deshalb liefern CT oder MRT den Medizinern die Aufnahmen, anhand derer sie entscheiden, welche Therapie jetzt die richtige ist, um langfristige Schäden zu verhindern. Handelt es sich um einen Gefäßverschluss im Gehirn (circa 85 Prozent der Fälle) oder um eine Gehirnblutung? Bei einem Verschluss, dem sogenannten ischämischen Schlaganfall, bleiben Schäbitz und seinem Team im Wesentlichen zwei Optionen zur Rekanalisation, wie die Spezialisten sagen. Soll heißen: den Verschluss zu beseitigen und die Versorgung des betroffenen Areals mit Sauerstoff und Nährstoffen wiederherzustellen.

Die beiden Verfahren, die Prof. Schäbitz als Quantensprung in der Schlaganfallbehandlung sieht:

Die Thrombolyse, die medikamentöse Auflösung des Verschlusses, ist die erste Wahl. Bei der Thrombolyse oder Lysetherapie wird ein spezielles Medikament intravenös verabreicht, das als Thrombolytikum bezeichnet wird. Dieses Medikament hilft dabei, das Gerinnsel aufzulösen und den Blutfluss wiederherzustellen. Der Experte: „Angewendet wird die Lysetherapie bei allen Patienten mit deutlichen neurologischen Symptomen viereinhalb Stunden nach Symptombeginn. Unter bestimmten Voraussetzungen ist eine Therapie aber auch noch später möglich, vor allem, wenn bestimmte Kriterien in der Bildgebung erfüllt sind.“

Die Lysetherapie stellt die Basisbehandlung des Schlaganfalles in der Akutsituation dar, etwa 20 Prozent aller Schlaganfallpatienten in großen Stroke Units kommen dafür infrage. „Sie wird in der Regel gut vertragen. Die Hauptnebenwirkung sind Blutungskomplikationen, die in der gerinnungsaufhebenden Wirkung des Medikamentes begründet sind, die aber essenziell ist, um das Blutgerinnsel, das das Gefäß verstopft, wieder aufzulösen.“

Seit einigen Jahren steht den Ärzten eine weitere, bei größeren Gefäßverschlüssen sehr wirksame Methode zur Verfügung. Bei dem komplexen Eingriff der Thrombektomie entfernt ein Neuroradiologe das Blutgerinnsel mittels eines Katheters, der über die Leiste eingeführt wird. Am Ende des Katheters ist ein netzartiges Körbchen installiert, ein sogenannter Stent, mit dem das Blutgerinnsel erfasst und herausgezogen werden kann. Auf diese Weise kann sehr schnell der Blutfluss wiederhergestellt und das Gefäß rekanalisiert werden. Die Thrombektomie kommt für etwa fünf bis zehn Prozent der Schlaganfallpatienten infrage, vor allem dann, wenn ein Verschluss der großen gehirnversorgenden Arterien wie der mittleren Hirnarterie vorliegt.

„Die Therapieeffekte können teilweise spektakulär sein. Patienten mit schwersten Lähmungen oder Sprachstörungen können wieder laufen oder sprechen und nach Hause entlassen werden. Nebenwirkungen können eingriffsbedingt vorkommen, weshalb eine sorgfältige Auswahl und Indikationsstellung in einem spezialisierten Zentrum erforderlich ist. Für einen Teil unserer Patienten haben sich die Prognosen dadurch noch einmal deutlich verbessert“, erklärt Schäbitz, welchen Fortschritt die Schlaganfallmedizin gemacht habe.

Doch leider bleiben trotz der Akuttherapien noch zu oft Schäden. Weiterführende Behandlungen wie Physio- und Ergotherapie sowie Logopädie sind Standard. Neue Ansätze und Lösungen gibt es dagegen im Bereich der technischen Hilfsmittel. Dazu zählen myoelektrische Orthesen-Systeme. Elektroden in der Arm-Orthese erkennen die schwachen Muskelsignale von der Hautoberfläche (es sind keine Implantate notwendig) und aktivieren die Motoren in der Orthese. Der Patient kann Arm und Hand so bewegen, wie er es möchte. Er ist also in der Lage, durch körpereigene Signale die Bewegungen der Orthese intuitiv zu steuern. Ein gelähmter Arm bekommt so wieder große Teile seiner Funktion zurück.

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