Erhöhte Cholesterinwerte können gefährliche Plaques an den Gefäßinnenwänden verursachen. © Foto: lightsource
GAU im Gehirn: Eine Ärztin analysiert Schnittbilder einer Computertomografie. Bei einer Demenz gehen Gehirnzellen zugrunde. © Fotos: Image Source / Andrew Brookes, TU München, ADVERB, dpa
Immer mehr Menschen werden dement. Bereits heute leben in Deutschland 1,8 Millionen Menschen mit dem Verlust ihrer geistigen Fähigkeiten – etwa 60 Prozent der Betroffenen leiden an Alzheimer, der häufigsten Demenzform. Weil unsere Gesellschaft zunehmend altert, rechnen Experten für 2050 sogar mit drei Millionen Betroffenen.
Doch es gibt auch eine ermutigende Nachricht zur gefürchteten Volkskrankheit: „Fast die Hälfte aller Demenzerkrankungen lassen sich abwenden“, berichtete die Deutsche Hirnstiftung anlässlich des gestrigen Welt-Alzheimertags. Zwar ist nach wie vor kein Wundermedikament in Sicht, aber bei der Prävention kommt die Forschung voran. Mit erhöhten Cholesterinwerten und Sehschwäche haben Wissenschaftler jetzt zwei weitere Risikofaktoren in den Fokus gerückt, die frühzeitig bekämpft werden sollen. Hier gibt die Hirnstiftung insgesamt zwölf Tipps, die das Demenz-Risiko verringern.
Wer sein Demenz-Risiko senken will, der sollte unter anderem seine Cholesterinwerte und seine Augen regelmäßig checken lassen. Dazu rät die Hirnstiftung nach neuen Erkenntnissen, die hochrangige Wissenschaftler der sogenannten Lancet-Commission kürzlich veröffentlicht haben. Viele Studien hätten gezeigt, dass ein Zusammenhang zwischen hohem LDL-Cholesterin und späterer Demenz besteht, erläutert die Deutsche Hirnstiftung. „Es gibt also viele Gründe, dies anzugehen – und die hohen Cholesterinwerte können durch regelmäßige Bewegung und Sport sowie eine gesunde Ernährung gut gesenkt werden“, erläutert Präsidentin Prof. Kathrin Reetz. „Sollten diese Maßnahmen nicht ausreichen oder möglicherweise noch weitere stoffwechselbedingte Erkrankungen bestehen, sollten Medikamente, sogenannte Lipidsenker, verschrieben werden.“ Meist handelt es sich um Statine.
Zwar lassen sich maximal 30 Prozent des Cholesterinspiegels durch gesunde Ernährung und durch regelmäßige Bewegung senken. Deshalb bekommen Patienten mit deutlich erhöhten Werten oft Tabletten verschrieben, meist sogenannte Statine. Aber trotzdem ist gerade Bewegung auch im Kampf gegen Demenz wichtig. Das bestätigt der Präventionsmediziner Professor Martin Halle von der TU München. „Wer sich nicht oder zu wenig bewegt, der wird früher gebrechlich als andere. Wer dagegen regelmäßig körperlich aktiv ist, altert gesünder. Wer trainiert, ist weniger eingeschränkt, bleibt geistig fit, hat mehr soziale Kontakte und eine höhere Lebenserwartung.“
Wie genau hohe Cholesterinwerte Demenz fördern, ist noch nicht restlos erforscht. Fest steht, dass sich insbesondere LDL-Cholesterin (Low Density Lipoprotein) in den Gefäßwänden einlagern und dadurch den schleichenden Prozess der Gefäßverkalkung befeuern kann, der in der Fachsprache Arteriosklerose genannt wird. Dabei werden die Arterien immer spröder beziehungsweise steifer und verengen sich. Im schlimmsten Fall verschließt sich das Blutgefäß komplett, nachgelagertes Gewebe kann nicht mehr mit Sauerstoff versorgt werden. Dann spricht man von einem Schlaganfall. Aber auch ohne diesen Super-GAU können die Hirngefäße gestresst werden.
„Bewegung hilft nicht nur, die Cholesterinwerte zu senken, sondern auch im Kampf gegen Diabetes und Bluthochdruck. Diese beiden Erkrankungen sind ebenfalls wichtige Risikofaktoren für Demenz“, erklärt Halle. Eine 2020 veröffentlichte Studie zeigte, dass die erfolgreiche medikamentöse Einstellung von Bluthochdruck das Demenz-Risiko um zwölf Prozent senkt und jenes von Alzheimer sogar um 16 Prozent.
Wie effekiv regelmäßiges Training bis ins hohe Alter ist, erforschen Münchner Wissenschaftler gerade im Rahmen einer der größten Studien ihrer Art weltweit. Daran nahmen mehr als 400 Bewohner von Senioreneinrichtungen in München und Oberbayern teil. Die Auswertung der Trainingsergebnisse wird am Freitag, 11. Oktober, bei einem großen Kongress der TU München unter dem Motto „bestform – Sport kennt kein Alter“ im Uniklinikum rechts der Isar vorgestellt. Daran nimmt neben vielen Wissenschaftlern auch Christian Neureuther teil. Der frühere Weltklasse-Skifahrer sagt: „Sport ist ein Schlüsselthema, um von der Kindheit bis ins hohe Alter gesund zu bleiben – körperlich und mental.“
Das bestform-Training in der Gruppe soll Senioren auch vor sozialer Isolation schützen, einem weiteren wichtigen Risikofaktor für Demenz. In diesem Zusammenhang warnen Wissenschaftler auch vor den Folgen von nachlassender Sehkraft im Alter. „Menschen, die im Alter nicht mehr gut sehen, verlassen aus Angst vor Stürzen nicht mehr die Wohnung, was zur sozialen Isolation beiträgt. Oft fällt auch das Lesen, das Teilnehmen an Gesellschaftsspielen, Handarbeiten oder Bewegung schwer – alles Dinge, die den Körper fit halten“, so Hirnstiftungs-Präsidentin Reetz. „Es ist daher wichtig, gerade bei betagten Menschen regelmäßig Sehtests durchzuführen und die Brillenstärke anzupassen.“
Mit der Demenz-Prävention solle man schon im Kindesalter beginnen: Eltern sollten darauf achten, dass sich ihre Kinder regelmäßig bewegen, nicht zu dick sind und beim Radeln immer einen Helm tragen, weil Gehirnerschütterungen auch die Entstehung von Demenz befeuern können. „Entscheidend für die Demenzprävention sind aber die mittleren Lebensjahre zwischen 45 und 59“, sagt Hirnstiftungs-Präsidentin Reetz. „In diesem Alter lässt sich das Ruder noch herumreißen.“
ANDREAS BEEZ