Wiesn-Fan: Orthopäde Dr. Reinhard Schneiderhan.
In der Achterbahn wirken enorme Fliehkräfte. © Mauritius Images
München – Die Fahrgeschäfte auf dem Oktoberfest gehören für viele Besucher einfach zur Wiesn-Gaudi dazu. Je wilder, desto besser. „Doch der Spaß hat auch seine Tücken“, sagt der renommierte Wirbelsäulen-Spezialist Dr. Reinhard Schneiderhan, der selbst gerne mal mit der einen oder anderen Achterbahn über die Theresienwiese saust. „Das kann allerdings eine enorme Belastung für Rücken und Nacken sein, und deshalb sollte man bei der Wiesn-Gaudi ein paar einfache Regeln kennen und beherzigen.
Der Orthopäde will niemandem den Spaß verderben. „Doch bei aller Vorfreude auf Geschwindigkeit und Adrenalin sollte man auch die Risiken bedenken, die mit dem Spaß einhergehen“, warnt Schneiderhan vom gleichnamigen Medizinischen Versorgungszentrum in München-Taufkirchen. „Vor allem die enormen Fliehkräfte stellen eine Herausforderung für Rücken und Nacken dar. Deshalb ist es ratsam, auf ein paar Dinge zu achten.“ Viele unterschätzen nämlich die enormen Kräfte, die schnelle Richtungsänderungen, enorme Beschleunigungen und abrupte Bremsmanöver mit sich bringen. „Der Körper muss zwangsläufig gegensteuern. So kommt es zu einer reflexartigen Anspannung der Nacken- und Rückenmuskulatur, die auch nach der Fahrt noch längere Zeit anhalten kann“, sagt der Orthopäde und Wirbelsäulen-Spezialist. Die Folgen: „Bei zu schwacher Muskulatur drohen überdehnte Sehnen und Bänder, die Mikrotraumata und Schmerzen verursachen.“
Hinzu kommt, dass das Beugen, Drehen und Wenden des Körpers großen Druck auf Rücken und Bandscheiben ausübt. Das kann all jene schmerzhaft treffen, die schon eine medizinische Vorgeschichte haben. In einer etwas älteren US-Studie hat sich gezeigt, dass Fahrten mit einer Achterbahn sogar Bandscheibenvorfälle auslösen können. „Wer bereits unter Rückenschmerzen leidet oder anfällig ist für Rückenschmerzen, sollte sich überlegen, ob sich der kurze Adrenalinkick wirklich lohnt“, rät Dr. Schneiderhan. Wer vorbelastet ist, sollte insbesondere auf Fahrgeschäfte verzichten, in denen die Füße frei baumeln. Denn ohne die Mithilfe der Beine lassen sich Brust- und Lendenwirbelsäule nicht ausreichend stabilisieren. „Wer sich mit den Füßen abstützt, stabilisiert Wirbelsäule und Gelenke.“
Fest steht: Jede Fahrt ist mit einem gewissen Risiko für Rücken- und Nackenschmerzen verbunden. „Wer akut unter Rückenschmerzen leidet oder chronisch rückenkrank ist, sollte auf eine Fahrt lieber verzichten“, rät Dr. Schneiderhan. Grundsätzlich hilfreich sind vorab immer Dehnübungen, um Verspannungen zu lösen. Oft kann man sich während der Fahrt an Stangen festhalten. Das hilft, die Fliehkräfte zu reduzieren. „Achten Sie vorab auf Drehungen, Wendungen oder Abfahrten und spannen Sie auch die Bauchmuskulatur an. Das verleiht dem Körper mehr Stabilität. Lehnen Sie sich nicht nach vorne. Das erhöht den Druck auf die Bandscheiben.“ Und noch ein Punkt: Wer ein oder zwei Mass über den Durst getrunken hat, büßt die Reaktionsfähigkeit ein: „Dann werden die Fliehkräfte ungehindert wirken.“
Zudem sollten Eltern die Altersbeschränkungen oder die vorgeschriebene Mindestgröße bei den Fahrgeschäften unbedingt beherzigen. So droht beispielsweise bei Autoscootern Gefahr für die Kleinen – im schlimmsten Fall können sie beispielsweise bei einem gezielten Frontalzusammenstoß ein leichtes Schleudertrauma erleiden. Der Hintergrund: Kinder haben eine schwächere Hals- und Nackenmuskulatur als Erwachsene, zudem erkennen sie einen drohenden Zusammenstoß oft später und spannen ihre Muskeln nicht rechtzeitig an. Dadurch werden ihre Köpfe hin- und hergeschleudert.
Auf ein weiteres Risiko durch Fahrgeschäfte weist die Allianz hin. So können bestimmte Modelle zur Herausforderung fürs Gehirn werden – auch wenn es dank hoher Sicherheitsstandards nur selten zu gesundheitlichen Problemen kommt. Trotzdem die Warnung: „Die Drehbewegungen, das plötzliche Beschleunigen und Bremsen führen jedoch dazu, dass Sehsinn und Gleichgewichtssinn widersprüchliche Signale an das Gehirn senden. Dies führt im Extremfall zur sogenannten Bewegungskrankheit, die in der FachspracheKinetose genannt wird“, so die Gesundheitsexperten der Versicherung. Die Symptome: Übelkeit, Kopfschmerzen, Blässe, Schwindel und Schwitzen bei kalter Haut.
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