Gelenk-OP: Das kommt auf die Patienten zu

von Redaktion

Spezialisten erklären den Zeitplan für Eingriffe an Knie und Hüfte – Wann Sie wieder fit sind

MRT-Bild eines frischen Kreuzbandrisses (Pfeil). © OCM

Kreuzband lädiert: Dr. Manuel Köhne erklärt einer Patient das MRT-Bild.

Hightech und höchste Präzision: Prof. Rüdiger von Eisenhart-Rothe (3. von rechts) setzt ein künstliches Kniegelenk ein. Dabei assistieren ihm Ärzte und ein OP-Roboter. © Fotos: K. Czoppelt/TUM Klinikum (2), OCM (2), M. Götzfried (1), A. Schmidt (1)

München – Eine Gelenk-Operation ist in sehr vielen Fällen kein Notfall – das bedeutet: Als Patient kann man sich darauf einstellen. Zum einen kann eine gute Vorbereitung dabei helfen, dass man nach dem Eingriff möglichst schnell wieder fit wird. Zum anderen ist es ratsam, sich für Einschränkungen und ganz praktische organisatorische Herausforderung im Alltag zu wappnen. Wann und wie man sich überhaupt operieren lassen sollte, was danach auf einen zukommt und viele Details zum Ablauf und zum Zeitplan verschiedener Gelenkoperationen erklären erfahrene Münchner Spezialisten in unserem großen Report.

■ Künstliches Kniegelenk

Ausgangslage: Wann die Zeit reif ist für ein künstliches Kniegelenk, hängt vom Leidensdruck des Patienten ab. Eine Gelenkersatz-OP ist kein Notfall. In der Regel raten Orthopäden dazu, wenn Lebensstilanpassungen wie Gewichtsabnahme, Umstellung der Ernährung und regelmäßige Bewegung sowie konservative Arthrose-Behandlungsmöglichkeiten wie zum Beispiel Physiotherapie, Hyaluron- und Eigenbluttherapien (PRP/ACP) ausgeschöpft sind, wenn der Patient auch nachts im Ruhezustand seit Monaten ständig Schmerzen hat, wenn seine Bewegungsfreiheit und Lebensqualität immer stärker eingeschränkt werden. Der Eingriff gilt als sehr sicher, das Risiko einer Infektion liegt je nach Klinik zwischen einem und 2,5 Prozent. Etwa acht bis neun von zehn Patienten sind mit dem Ergebnis der OP zufrieden. Immer mehr Spezialisten setzen OP-Roboter ein, um ihre Patienten individueller operieren und die jeweilige Biomechanik des Gelenks noch präziser wiederherstellen zu können. Studien und Patientendaten belegen einen positiven Effekt dieser OP-Strategie. Sie bringt allerdings nur dann einen Mehrwert, wenn der Operateur auch weiß, wie genau er den Roboter einsetzen muss (Fachbegriff Alignement). Fragen Sie ihn nach seiner Erfahrung, Fallzahl und einer Zertifizierung von der unabhängigen Prüfgesellschaft endocert. Durch gezielte Vorbereitung (z. B. optimale Einstellung der Blutzucker- und anderer Blutwerte, Herz-Check und Parodontitisbehandlung) kann der Patient sein OP-Risiko reduzieren.

OP und Klinikaufenthalt: Die OP dauert mit dem Roboter als Assistenten etwa eine Stunde und 15 Minuten, ohne Roboter etwas kürzer. Der Patient muss etwa vier bis sechs Tage in der Klinik bleiben. Wer bereits etwa sechs bis zwölf Wochen vor dem Eingriff ein spezielles Training beginnt (Fachbegriff Prähabilitation), um die Muskulatur rund ums Kniegelenk zu stärken, wird hinterher meist schneller wieder fit. Ältere und unsichere Patienten sollten schon vor der OP das Laufen mit Gehstützen üben. Nach der OP geht es zur Reha, entweder stationär für etwa drei Wochen in eine Rehaklinik oder immer öfter auch ambulant.

Nachbehandlung: Heute versuchen Spezialisten, ihre Patienten so schnell wie möglich wieder auf die Beine bringen. Sie sollen und dürfen noch am OP-Tag ihr Bein belasten, bekommen Lymphdrainage und Gangschule.

Alltagstauglich: Nach Abschluss der dreiwöchigen Reha sollte man in der Lage sein, ohne Krücken zu laufen und wieder Auto zu fahren.

Wieder fit: Schonende Sportarten wie Radfahren oder leichte Wanderungen sollten spätestens nach drei Monaten wieder drin sein, sogenannte High-Impact-Sportarten wie Skifahren oder Squash nach sechs Monaten – allerdings kann der Heilungsverlauf sehr unterschiedlich sein und hängt auch vom Fitnessstand des Patienten vor der OP ab.

■ Kreuzbandriss

Ausgangslage: Mittelschwere bis schwere Verletzung. Passiert fast immer beim Sport durch schnelle Drehbewegungen, mitunter auch in hektischen Alltagssituationen. Die Schwellung tritt meist erst verzögert ein, die Schmerzen sind eher mäßig, aber das Bein fühlt sich an wie Wackelpudding. Kein Notfall – es sei denn, auch der Knochen oder der Knorpel ist verletzt. Deshalb sollte man rasch ein Röntgenbild und eine Magnetresonanztomografie machen lassen. Der beste OP-Zeitpunkt ist vier bis sechs Wochen nach dem Unfall, gerne auch noch mal ein paar Wochen später, sofern man im Alltag gut zurechtkommt. Die Schwellung sollte abgeklungen sein, es ist eher ungünstig, in ein gereiztes Gelenk hinein zu operieren. Was viele Patienten nicht wissen: Das Kreuzband wird in den allermeisten Fällen nicht genäht, kann also nicht absterben, es wird ohnehin durch eine verzichtbare körpereigene Sehne aus dem Oberschenkel ersetzt.

OP und Klinikaufenthalt: Inzwischen werden die Patienten fast immer ambulant operiert – auch deshalb, weil die gesetzlichen Krankenkassen seit diesem Jahr den Klinikaufenthalt nicht mehr bezahlen. Ansonsten maximal eine Klinikübernachtung. Der Eingriff dauert 45 Minuten.

Nachbehandlung: Zehn Tage bis zwei Wochen lang ist Teilbelastung angesagt. Das bedeutet: auf Krücken laufen, den Fuß nur abrollen. Man bekommt Thrombosespritzen und Lymphdrainage, eine sanfte physiotherapeutische Massage, um den Abbau der Schwellung zu unterstützen. Nach zwei Wochen werden die Fäden gezogen.

Alltagstauglich: In der Regel ist man zwei bis vier Wochen krankgeschrieben. Alltagsbelastungen wie Autofahren sind nach drei Wochen wieder möglich. Im Büro ist man nach vier bis sechs Wochen wieder voll belastbar, Handwerker können nach sechs bis acht Wochen wieder Gas geben. Nach sechs Wochen sollte man ein sogenannten Athletiktraining beginnen, das Kraft und Koordination stärkt. Dazu gehören beispielsweise Radeln und Übungen an bestimmten Fitnessgeräten. Das Athletiktraining zieht sich über vier bis sechs Monate.

Wieder fit: Nach neun bis zwölf Monaten können die Patienten wieder voll sporteln. Allerdings sollten sie vorher in einem speziellen Test („back-to-sports-test“) checken lassen, ob ihr Bein bzw. die Muskulatur wieder in Form ist. Nach einem Jahr sollte der Kreuzbandriss abgehakt sein. Trotzdem bleibt ein leicht erhöhtes Risiko einer erneuten Verletzung.

■ Meniskusverletzung

Ausgangslage: Eine Meniskusverletzung wird oft zunächst konservativ mit Schonung und Bandage zur Entlastung des Kniegelenks behandelt. Eine OP steht meist dann an, wenn ein Stück Meniskus eingeklemmt ist, der Patient sein Bein nicht mehr strecken oder um mehr als 90 Grad beugen kann sowie starke Schmerzen hat. Für eine genaue Diagnose ist eine MRT nötig. Der Operateur wird versuchen, den Meniskus zu nähen, weil er als wichtiger Stabilisator im Gelenk dient. Ist dies nicht möglich, wird er den beschädigten Anteil entfernen.

OP und Klinikaufenthalt: Fast immer ambulant – minimalinvasiv, das heißt mit kleinsten Schnitten. Die OP dauert etwa eine halbe Stunde.

Nachbehandlung: Bei einer Naht relativ langwierig, bei einer Meniskusteilentfernung geht es wesentlich schneller. Dann muss man nur drei bis fünf Tage mit Gehstützen laufen. Ist der Meniskus genäht worden, darf man das Bein vier bis sechs Wochen lang mit maximal 20 Kilo belasten – praktisch nur den Fuß abrollen. Hintergrund: Knorpel ist schlecht durchblutet, er braucht Zeit zur Heilung.

Alltagstauglich: Bei einer Teilentfernung kann man nach einer Woche wieder ins Büro gehen, Handwerker sind etwa zwei Wochen außer Gefecht. Im Falle einer Naht sollte man sich etwas länger erholen.

Wieder fit: Nach der Teilentfernung ist leichter Sport (z. B. Radeln, Kraulen) nach zwei bis drei Wochen wieder drin, und nach sechs Wochen darf man wieder voll angreifen. Bei einer Meniskusnaht darf man erst nach drei Monaten wieder vorsichtig sporteln, voll belastbar ist man nach vier bis sechs Monaten.

■ Knorpelverletzung:

Ausgangslage: Knorpel kann man nur nach frischen Verletzungen reparieren, wenn das Kniegelenk ansonsten intakt ist. Bei Arthrose (Gelenkverschleiß) geht es nicht. Es gibt verschiedene Verfahren, je nach Größe des Knorpelschadens. Die OP sollte so schnell wie möglich erfolgen.

OP und Klinikaufenthalt: Bei überschaubaren Schäden etwa vom Durchmesser eines kleinen Fingernagels kommt die Mikrofrakturierung infrage. Dabei wird der Knochen unterm Knorpel angebohrt – mit dem Ziel, dass sich dadurch Knorpelersatzgewebe bildet. Das dauert 20 bis 30 Minuten. Ist der Knorpelschaden etwa so dick wie ein Mittelfingernagel, werden zusätzlich oft biologische Heilverfahren mit verschiedenen Membranauflagen (AMIC) und Eigenblutbehandlungen (Minced cartilage/Knorpelchips) eingesetzt. Diese OP dauert 45 Minuten, man bleibt ein bis zwei Nächte in der Klinik. Bei größeren Schäden kann eine Knorpelzelltransplantation helfen. Dabei werden einige gesunde Knorpelzellen aus dem Knie entnommen, über etwa vier Wochen im Labor so lange vermehrt, bis ein Ersatzknorpelstück wie eine Art Mini-Vlies entsteht. Damit flickt der Arzt den Defekt. Die Entnahme erfolgt ambulant und dauert nur ein paar Minuten, das Einsetzen etwa eine halbe Stunde.

Nachbehandlung: Nach der Mikrofrakturierung vier bis sechs Wochen Krücken, bei den anderen Verfahren sechs bis acht Wochen.

Alltagstauglich: Im Falle der Mikrofrakturierung nach circa sechs Wochen, sonst nach etwa acht Wochen.

Wieder fit: Sport ist bei einer Mikrofrakturierung nach vier bis sechs Monaten wieder drin. Bei den anderen Verfahren darf man nach circa vier Monaten zwar auch wieder leicht anfangen, die volle Belastbarkeit erreicht man nach AMIC und Minced Cartilage jedoch eher nach sechs bis acht Monaten, bei einer Knorpelzelltransplantation muss man sich acht bis zwölf Monate gedulden.

■ Künstliche Hüfte

Ausgangslage: Das Einsetzen von künstlichen Hüftgelenken gehört zu den erfolgreichsten Behandlungen der modernen Medizin. Mehr als 90 Prozent der Patienten sind mit ihrer Endoprothese – so der Fachbegriff – zufrieden. Zwar gilt diese Operation unter Experten inzwischen als Routineeingriff, ein Selbstläufer ist sie aber trotzdem nicht. Deshalb sollte man sich einen erfahrenen Operateur suchen, der in einem ebenso erfahrenen OP-Team und in einer auf Gelenkersatz-Eingriffe spezialisierten Klinik operiert. Diese Kombi erhöht die Chance massiv, dass jeder Handgriff sitzt (standardisierte Abläufe), der Blutverlust gering bleibt und die OP-Zeit möglichst kurz gehalten werden kann. Das alles verringert das Risiko von Komplikationen.

OP und Klinikaufenthalt: Der Eingriff dauert etwa eine Stunde, anschließend muss der Patient für etwa vier bis sechs Tage in der Klinik bleiben. Daran schließt sich eine etwa dreiwöchige Reha an – stationär oder immer öfter auch ambulant.

Nachbehandlung: Der Patient kann in der Regel bereits am Abend nach der OP danach oder am nächsten Tag erste Schritte machen – mit Krücken oder einem Gehwagen und in Begleitung eines Physiotherapeuten. Theoretisch wäre die künstliche Hüfte sofort voll belastbar, aber damit die Wunde gut heilen kann, läuft der Patient in den ersten zwei Wochen mit Gehstützen. In der ersten Zeit geht es neben schneller Mobilisierung aber auch darum, dass das neue Gelenk in den Knochen einwächst und ein Herausspringen der Prothese (Fachbegriff Luxation) verhindert wird. Deshalb sollte man sich beispielsweise zum Schuhe anziehen nicht bücken, sondern einen Schuhlöffel verwenden.

Alltagstauglich: Nach der Reha sollte der Patient im Alltag wieder ohne größere Einschränkungen zurechtkommen, mit dem Autofahren sollte er allerdings nach der OP etwa sechs Wochen warten. Wichtig ist es, vor allem in den ersten Wochen nicht zu schwer zu tragen und auch Stolpern zu vermeiden. Denn dabei wirkt Messungen zufolge das Neunfache des Körpergewichts auf die Prothese ein, durch den hohen Druck kann es insbesondere bei Patienten mit schlechter Knochenqualität (Osteoporose) zu Brüchen um das künstliche Gelenk herum kommen.

Wieder fit: Bereits in der Reha dürfen die Patienten wieder vorsichtig radeln, bis man wieder voll sporteln kann, braucht man mindestens drei bis sechs Monate Geduld. Wie früh man wieder Gas geben kann, hängt auch vom Zustand der Muskulatur ab. Sportarten mit größeren Stoßbelastungen wie Joggen, Tennis, Squash oder Fußball sind bei einem künstlichen Hüftgelenk ungünstiger als beispielweise Radfahren oder Schwimmen. Wer trotzdem nicht auf seine eher belastenden Lieblingshobbys wie Skifahren verzichten möchte, der sollte gerade im ersten Winter nach der OP ein paar Vorsichtsmaßnahmen beherzigen: auf nicht zu steilen, wenig eisigen Pisten, mit weiten Schwüngen und mit mäßigem Tempo fahren.
ANDREAS BEEZ

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