Wie Umgehungstraßen für verstopfte Hautverkehrsadern: Bypässe am Herzen.
Höchste Konzentration im Operationssaal des Herzzentrums: Professor Markus Krane (re.), Direktor der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie, und zwei Kollegen bei einer Herz-OP. © Fotos/Zeichnung: Deutsches Herzzentrum/T. Georgescu/E. Dzilic
München – Hoffnung für Herzpatienten: Die Behandlungsmöglichkeiten werden immer besser – selbst für hochbetagte Menschen mit komplizierten Krankengeschichten. Ein Paradebeispiel ist das Ersetzen von defekten Herzklappen ohne offene Operation, und auch in der Bypass-Chirurgie können Herzchirurgen heute mit minimalinvasiven OP-Techniken helfen. „Bypässe kann man sich vorstellen wie Umgehungsstraßen, die die verstopften Hauptverkehrsadern des Herzmuskels entlasten“, erklärt Professor Markus Krane, Direktor der Klinik für Herzchirurgie im Deutschen Herzzentrum München. „Während 1990 noch drei bis fünf Prozent der Patienten nach einer Bypass-Operation gestorben sind, beträgt dieses Risiko heute nur noch etwa ein Prozent.“ In der modernen Herzmedizin gebe es eine ganze Reihe von wichtigen Innovationen, so Herzspezialist Krane, und nennt drei Beispiele:
■ Neue OP-Verfahren
„Wir können bei Herz-Operationen immer öfter darauf verzichten, den Brustkorb des Patienten vollständig zu eröffnen. Es ist lediglich ein kleiner Schnitt von drei bis fünf Zentimetern an der Seite des Brustkorbs notwendig“, erläutert Krane. Diese modernen Verfahren kommen unter anderem bei Erkrankungen der Herzklappen zum Einsatz. Inzwischen nutzen die Herzchirurgen bereits bei Eingriffen an drei von vier Herzklappen häufig minimalinvasive Techniken – an der Aortenklappe, an der Mitralklappe und an der Trikuspidalklappe.
Zu den neuen Möglichkeiten insbesondere für sehr alte und kranke Patienten zählen auch die sogenannten Katheterverfahren, um Herzklappen zu ersetzen. Dabei schiebt der Arzt einen dünnen Schlauch zum Beispiel durch die Leistengefäße bis zum Herzen vor. Der Schlauch beherbergt einen zusammengelegten Ballon. Herzchirurg Krane: „Auf diesem Ballon steckt die neue Herzklappe. Wenn der Ballon in exakt die gewünschte Position manövriert worden ist, füllen wir ihn mit Flüssigkeit – und er entfaltet sich mitsamt der Klappe. Mit speziellen Messverfahren können wir sofort überprüfen, ob die Klappe einwandfrei funktioniert.“ Bei einer weiteren Variante steckt die neue Herzklappe in einer Art temperaturempfindlichem Metallgerüst. Dieses lässt sich unter kaltem Wasser so komprimieren, dass es in den Katheterschlauch passt.
Nach einem ähnlichen Prinzip können Herzspezialisten auch Mitralklappen (Fachbegriff TMVI) austauschen. „Dazu wird am seitlichen Brustkorb ein kleiner Schnitt gesetzt. Er ist nur drei bis fünf Zentimeter lang“, erläutert Krane. „Für die Katheterverfahren fehlen uns noch Langzeitergebnisse. Dagegen ist für chirurgisch ersetzte bzw. reparierte Herzklappen eine längerfristigere Haltbarkeit gesichert.“
■ Hightech fürs Herz
Der technologische Fortschritt ermöglicht Herzspezialisten viele neue Möglichkeiten. Neben immer besseren Diagnosebildern unter anderem durch digitale CT-, Angiografie- und MRT-Technologien stehen innovative Implantate zur Verfügung. „Dazu zählen beispielsweise länger haltbare Herzklappen oder sehr kleine Herzschrittmacher“, berichtet Krane. So setzt sein Team am Herzzentrum unter anderem den Micra ein. Dieser Herzschrittmacher ist wesentlich kleiner als herkömmliche Modelle, hat ungefähr die Größe einer Vitaminkapsel.
Der medizinische Hintergrund: Ein herkömmlicher Schrittmacher wiegt etwa 20 bis 30 Gramm und hat ein Titangehäuse. Er wird im Brustbereich unter die Haut gesetzt, meist etwas unterhalb des Schlüsselbeins. Das Gerät ist über Drähte oder Elektroden mit dem Herzen verbunden. „Dagegen wird der Micra mithilfe eines dünnen Katheterschlauchs direkt in die rechte Herzkammer gebracht und dort verankert. Er benötigt dadurch keine Elektrode wie ein herkömmlicher Schrittmacher, um die elektrischen Signale zum Herzen weiterzuleiten“, erklärt der Herzchirurg.
Das neue Verfahren hat viele Vorteile, darunter ein geringeres Infektions- und Blutungsrisiko. Die winzige Batterie hält voraussichtlich ähnlich wie bei herkömmlichen Schrittmachern sechs bis zehn Jahre. „Ob der sondenlose Schrittmacher oder ein herkömmliches Modell die beste Behandlungsoption ist, hängt vom Einzelfall ab. Generell sind Herzschrittmacher aber sehr gut erprobte und hocheffektive Geräte mit einem geringen Komplikationsrisiko“, betont Krane.
■ Moderne Intensivmedizin
Nicht nur bei den OP-Techniken, sondern auch bei den Rahmbedingungen rund um Herz-Operationen geht die Entwicklung rasant voran. „Innovationen in der Intensivmedizin und Know-how der Pflege-Profis versetzen uns in die Lage, auch schwerkranke Menschen mit einem hohen Maß an Sicherheit zu operieren. Die Patienten erholen sich heute in den meisten Fällen schneller als noch vor einigen Jahrzehnten und müssen kürzer auf der Intensivstation bleiben“, weiß Krane.