Bio-Prothese: eine künstliche Herzklappe. © Foto: Gülland
Hier wird eine Aortenklappe ersetzt: Das Team um (von rechts) Prof. Markus Krane, PD Dr. Hendrik Ruge, Dr. Caterina Campanella und Nadja Pereira-Silva (operationstechnische Assistentin im Operationsaal des Deutschen Herzzentrum. © Foto: DHM
München – Keine aufwendige Operation, also kein längerer Hautschnitt und kein geöffneter Brustkorb mehr, stattdessen nur noch ein dünner Schlauch, der meistens durch die Leistenarterie eingeführt und bis zum Herzen vorgeschoben wird: Der erstmalige Einsatz dieser sogenannten Kathetertechnik Anfang des Jahrtausends galt als revolutionär, Herzchirurgen des Deutschen Herzzentrums München um den damaligen Chef Prof. Rüdiger Lange zählten 2007 zu den Pionieren. Doch während die Ärzte zunächst nur die Aortenklappe mit der vergleichsweise schonenden Methode ersetzen konnten, haben Mediziner und Ingenieure das Hightech-Verfahren inzwischen maßgeblich weiterentwickelt. „Heute können wir auch Erkrankungen der Mitralklappe und der Trikuspidalklappe mithilfe der Kathetertechnik behandeln“, berichtet Professor Markus Krane, Direktor der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie im TUM Universitätsklinikum.
Rein technisch ist der minimalinvasive Eingriff sogar an allen vier Klappen möglich, doch die Pulmonalklappe geht bei Erwachsenen verschleißbedingt praktisch nie kaputt. Bei Kindern mit angeborenen Herzfehlern dagegen wird auch diese Klappe inzwischen immer öfter per Katheter ersetzt, der Fachbegriff für das Prothesenmodell heißt Melodyklappe.
Bedeutsam ist die Klappen-Revolution auch vor dem Hintergrund unserer alternden Gesellschaft. „Statistisch gesehen ist heute jeder achte Mensch über 75 Jahren von einer Erkrankung der Herzklappen betroffen und bei den über 80-Jährigen sogar jeder fünfte“, berichtet Oberarzt Privatdozent Dr. Hendrik Ruge. Inzwischen leiden allein in Deutschland bereits über 100 000 Patienten daran, bis 2030 werden es nach Expertenschätzungen etwa 121 000 sein – Tendenz steigend. „Für einen erheblichen Teil der hochbetagten Menschen wäre eine offene Operation zu belastend und zu riskant“, erklärt sein Kollege Krane. „Für sie ist die Entwicklung der Kathetertechnik ein Segen.“
Lösungen für die Mitralklappe
Nach der TAVI-Technik für die Aortenklappe (siehe Artikel unten) gelang es vor einigen Jahren erstmals, das Verfahren auch für die Mitralklappe anzuwenden. Für diese Klappe zwischen dem linken Herzvorhof und der linken Herzkammer steht inzwischen eine Prothese namens Tendyne zur Verfügung, auf Ärztelatein ist von der Transkatheter-Mitralklappenimplantation (TMVI) die Rede. Sie könnte in Zukunft in einigen Fällen das sogenannte Mitralklappen-Clipping ablösen. „Dabei werden die beiden Segel der Mitralklappe mit einem Clip verbunden, der wie eine Klammer wirkt“, erklärt Ruge. „Mit dem Clipping lässt sich zwar die Funktion der Klappe wieder deutlich verbessern, aber keine hundertprozentige Dichtigkeit erreichen. Dagegen schließt die künstliche Klappe, die per Katheter eingesetzt werden kann, in der Regel perfekt.“
Neueste Variante für Trikuspikalklappe
Als jüngsten Coup präsentierten die Medizintechnik-Ingenieure vor wenigen Monaten ein Katheterverfahren für die Trikuspidalklappe. Sie befindet sich zwischen dem rechten Herzvorhof und der rechten Herzkammer. Die Herzklappe nennt sich Evoque und ist seit Ende vergangenen Jahres in Europa zertifiziert. Erste Studien zeigen vielversprechende Ergebnisse. Vor allem die Symptome der Patienten mit einer undichten Klappe – in der Fachsprache Trikuspidalklappeninsuffizienz genannt – bessern sich erheblich (siehe Kasten rechts unten).
Offene OP mitunter bessere Alternative
Angesichts des enormen Fortschritts fragen sich viele Patienten, warum sie sich dann überhaupt noch am offenen Herzen operieren lassen sollten? „Gerade bei jüngeren Patienten sollte man immer in Erwägung ziehen, die defekte Herzklappe in einer offenen Operation zu reparieren. Denn die eigene reparierte Klappe funktioniert in der Regel besser als eine künstliche Klappe. Diese haben mitunter auch gravierende Nachteile“, erläutert Krane und zählt einige auf: „Künstliche Herzklappen haben unter anderem ein erhöhtes Risiko für Infektionen (Fachbegriff Prothesenendokarditiden) und die Bildung von Blutgerinnseln. Zudem sind die künstlichen Klappen, die sowohl chirurgisch als auch mittels Katheterverfahren verwendet werden, nur begrenzt haltbar. Man geht von zehn bis 15 Jahren aus.“ Der Knackpunkt dabei: „Man kann ein Herz nicht unbegrenzt oft operieren. Wenn man also einem Patienten in jungen Jahren eine künstliche Herzklappe einsetzt, kann ein mehrfach wiederholter Wechsel irgendwann zum Problem werden.“
Verschiedene Modelle bei Klappenprothesen
Der medizintechnische Hintergrund: Spezialisten unterscheiden bei künstlichen Herzklappen zwischen biologischen Prothesen aus Rinderherzbeutel- oder Schweineherzgewebe und mechanischen Prothesen aus Titan bzw. Karbon. Letztere halten zwar in der Regel ein Leben lang, aber eine mechanische Herzklappe lässt sich nicht wie tierisches Gewebe auf kleinstes Packmaß zusammenfalten und im Katheterschlauch zum Herzen transportieren. Zudem verursachen mechanische Klappen bei jedem Herzschlag ein Geräusch (leichtes Klackern), und die Patienten müssen lebenslang Blutverdünner einnehmen – ein Risikofaktor für Hirnblutungen und andere schwere Blutungsereignisse. Dieses Risiko ist nicht zu vernachlässigen: „Bei etwa 20 bis 30 Prozent der Menschen unter dauerhafter Blutverdünnung entsteht innerhalb der nächsten 20 Jahre eine schwere Blutung“, weiß Krane.