„Harmlose Schmerzmittel gibt es nicht“

von Redaktion

Auch bei frei verkäuflichen Medikamenten drohen Wechselwirkungen und Allergien

„Bei uns gibt‘s die Beratung kostenlos dazu:“ Die Münchner Apothekerin Eva Kreuzer-Bojko in der Engel-Apotheke mit einer Auswahl rezeptfreier Klassiker gegen Husten, Schnupfen, Schmerzen und Schlaflosigkeit. © Sigi Jantz

München – Der Umsatz rezeptfreier Medikamente steigt und steigt. 2023 haben Patienten für Ibuprofen, Voltaren und Co. rund 9,4 Milliarden Euro ausgegeben – das ist ein absoluter Rekord! Wie hilfreich oder schädlich sind Medikamente, die es ohne Rezept in Apotheken und Drogeriemärkten gibt? Wir haben bei Hausarzt Dr. Oliver Abbushi in Oberhaching nachgefragt, eine Auswahl der meistverkauften Produkte auf den Prüfstand gestellt und nennen auch wirksame Alternativen aus Großmutters Naturapotheke.

Fast zwei Millionen Patienten in Deutschland nehmen täglich Schmerzmittel ein – das sind immerhin drei Prozent der Bevölkerung. Davon haben 30 bis 40 Prozent tatsächlich gar keine körperlichen Schmerzen. Sie wollen lediglich vorbeugen oder sich besser fühlen. Eine bedenkliche Routine – meint Dr. Oliver Abbushi. Denn: „Es gibt keine harmlosen Schmerzmittel.“ Bei zu häufiger Anwendung und Überdosierung können auch die frei verkäuflichen Schmerzmittel zu schwerwiegenden Nebenwirkungen führen. Der erfahrene Hausarzt warnt: „Schmerz ist immer ein Warnsignal des Körpers. Den sollte man nicht einfach ausschalten, sondern seiner Ursache nachgehen. Und grundlos Schmerzmittel zu nehmen ist mehr als gefährlich.“

Ein weiteres Problem der frei verkäuflichen Medikamente ist, dass Patienten oft nicht über Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln informiert sind. „Das ist für mich ein entscheidender Punkt“, so der Facharzt für Allgemeinmedizin. Die Zahl der Todesfälle durch Wechselwirkungen von Medikamenten wird auf 50 000 Menschen pro Jahr geschätzt. Je mehr Präparate gleichzeitig verwendet werden, desto größer ist das Risiko für Schäden durch eine sogenannte Polymedikation. Dr. Abbushi: „Die beste Vorbeugung ist Aufklärung durch Ärzte und Apotheker. Auch wenn Sie ein rezeptfreies Medikament in der Apotheke kaufen, sollten Sie sich dort über die Wechsel- und Nebenwirkungen informieren.“ Das bestätigt auch die Münchner Apothekerin Eva Kreuzer-Bojko von der Engel-Apotheke an der Theatinerstraße: „Im Drogeriemarkt sind Sie auf sich allein gestellt. In der Apotheke gibt‘s die Beratung kostenlos dazu.“

Speziell wenn es um die Abstimmung der Medikamente geht, sollten Patienten unbedingt ihren Hausarzt um Rat fragen. Andernfalls drohen fatale Folgen. „Vor allem deshalb, weil Patienten oft denken, rezeptfreie Arzneimittel und -tees seien harmlos. Das ist ein großer Irrtum“, warnt Dr. Abbushi. Denn auch die Teesorten haben Wirkstoffe, die andere Medikamente beeinflussen können. Besonders gefährdet seien ältere Menschen und Patienten mit Vorerkrankungen: „Da kann es zu ernsthaften Problemen kommen, wenn bei akuten Beschwerden Fieber- oder Schmerzmittel unkontrolliert eingenommen werden.“ Grundsätzlich warnt der Mediziner auch davor, die Dosierung selbstständig zu bestimmen: „Wirklich niemand sollte ein Medikament regelmäßig ohne ärztliche Begleitung nehmen.“
DORIT CASPARY

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