Eine neue Hüfte für den Tiger

von Redaktion

Das Röntgenbild zeigt Gerlands neue Hüfte. © Foto: OCM

Genießt beim FC Bayern höchsten Respekt: Hermann Gerland bei seiner Verabschiedung mit Karl-Heinz Rummenigge am 22. Mai 2021 in der Allianz-Arena. © Foto: dpa

Schnell wieder auf den Beinen: Kult-Trainer Hermann Gerland (links) ist von Professor Robert Hube operiert worden. Der Gelenkersatz-Spezialist von der Orthopädischen Chirurgie München setzte ihm eine künstliche Hüfte ein. © Foto: Yannick Thedens

München – 204 Mal lief Hermann Gerland für den VfL Bochum auf, er galt als kompromissloser Verteidiger. In seiner zweiten Karriere arbeitete der Tiger – so sein Spitzname – ein Vierteljahrhundert lang beim FC Bayern. Als Kulttrainer mit einem goldenen Händchen für die Jugendarbeit formte er Buben wie Thomas Müller, Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm zu Weltmeistern. Wer so lange als Kind des Ruhrpotts in Bayern lebt und nicht nur an der Säbener Straße großen Respekt genießt, der kann auch mal einen gescherten Spruch verkraften. Zum Beispiel von Karl-Heinz Rummenigge. Der langjährige FCB-Vorstandschef hatte Gerlands Ehefrau Gudrun kurz vor Gerlands OP getroffen und gefrotzelt: „Kein Wunder, dass der Hermann eine neue Hüfte braucht, so oft wie der früher gegrätscht hat.“

Natürlich kennt auch Kalle die Wahrheit: Zum einen war Gerland früher schnell genug (persönliche Bestleistung 11,0 Sekunden auf 100 Meter), um die meisten Stürmer abzulaufen, zum anderen hat Arthrose seine Hüfte auf dem Gewissen – eine Verschleißerkrankung, die sich in den allermeisten Fällen über viele Jahre und Jahrzehnte entwickelt. „Ich wusste schon länger, dass ich früher oder später ein neues Hüftgelenk brauche. Zuletzt hatte ich immer öfter Schmerzen in der Leistengegend und Schwierigkeiten beim Gehen. Längere Strecken wurden immer mühsamer, nach zwei, drei Kilometern bin ich regelrecht gehumpelt“, erzählt Gerland.

Er suchte Rat bei Dr. Ernst-Otto „Burschi“ Münch. Der langjährige Mannschaftsarzt der Ski-Nationalmannschaft („Doc Knie“), der auch den FC Bayern betreute, empfahl seine frühere Praxis: die Orthopädische Chirurgie München (OCM). Zu deren erfahrensten Spezialisten gehört Professor Robert Hube. Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Endoprothetik nimmt jedes Jahr etwa 1200 Gelenkersatz-Operationen vor, setzte unter anderem bereits Ski-Olympiasieger Markus Wasmeier zwei künstliche Hüftgelenke ein.

Nach zahlreichen großen Tieren aus Sport und Gesellschaft landete jetzt also erstmals ein Tiger auf seinem OP-Tisch in der Sana Klinik Sendling. „Hermann Gerland brachte optimale Voraussetzungen für die OP mit: eine gut trainierte Muskulatur und kein Übergewicht. Das half ihm, besonders schnell wieder auf die Beine zu kommen“, berichtet der Orthopäde, der im Berliner Stadtteil Köpenick aufgewachsen und von Kindesbeinen an Union-Fan ist. Sein Patient Gerland war schon am Tag nach dem Eingriff am vergangenen Donnerstag fleißig auf dem Klinikflur unterwegs, startete schnell mit ersten physiotherapeutischen Übungen – ein wichtiger Punkt des modernen Fast-Track-Konzepts. „Es sieht vor, die Patienten so schnell wie möglich zu mobilisieren, also aus dem Bett zu holen. Das verringert das Komplikationsrisiko und beschleunigt die Heilung“, erklärt Hube.

In bester Sportlermanier hat sich Gerland mit seiner neuen Hüfte bereits prima eingelaufen. Er humpelt nicht und Gehstützen empfiehlt ihm sein Arzt Hube nur noch zur (mentalen) Sicherheit für zwei bis drei Wochen, beispielsweise wenn er draußen auf rutschigem Untergrund läuft. „Ich habe keine Schmerzen und brauche keine Tabletten.“ In der ersten Woche nach der OP seien schmerz- und entzündungshemmende Medikamente allerdings sinnvoll, um den Heilungsverlauf zu fördern, erläutert Hube.

So kann der Kulttrainer bereits im März sein Comeback geben, wenn sich die U21-Nationalmannschaft zur EM-Vorbereitung trifft. Dabei unterstützt Gerland den Cheftrainer, seinen früheren Spieler Antonio Di Salvo. Nicht nur zu ihm pflegt der 70-Jährige ein freundschaftliches Verhältnis. Von Thomas Müller etwa schwärmt er in den höchsten Tönen: „Thomas ist ein toller Kerl und ein schlauer Junge, er konnte sich immer auf seinen jeweiligen Trainer einstellen, wusste genau, was der Coach von ihm wollte.“ Klar, dass Gerland seinem Schützling zum Karriereabschluss weitere Titel gönnen würde. „Die Bayern werden auf jeden Fall deutscher Meister. Wie weit sie in der Champions League kommen, ist schwer einzuschätzen. Auf der einen Seite können sie jeden Gegner schlagen, auf der anderen Seite aber auch von einigen Top-Mannschaften geschlagen werden.“ Wichtig wäre deshalb aus Gerlands Sicht, dass neben Top-Torjäger Harry Kane auch die anderen Offensivkräfte ihre Chancen künftig noch öfter verwerten.

Mit Vincent Kompany als Trainer könne der Traum vom Titel in der Königsklasse durchaus wahr werden: „Er ist fachlich und charakterlich ein guter Typ, das wissen auch die Spieler. Ich habe aus der Mannschaft noch kein einziges negatives Wort über ihn gehört.“ Einen Erfolg im nächsten „Finale dahoam“ 2025 würde der Tiger seinem Ex-Verein wünschen – schon allein deshalb, weil das 3:4 verlorene Endspiel 2012 in der Allianz Arena gegen Chelsea ihn noch heute schmerzt; Gerland war damals Cotrainer von Jupp Heynckes: „In 100 Fällen verlierst du so ein Spiel höchstens ein, zwei Mal. Uns ist es damals leider passiert.“

Insofern drückt er Kompany, Kane & Co. gleich doppelt die Daumen: „Ich bin nach wie vor Bayern-Fan.“ Bis sein Herzensverein hoffentlich wieder zum „Finale dahoam“ in Fröttmaning antritt, wird er allerdings eher nebenan im Bayern-Campus oder bei den Jugendfußballern der Spielvereinigung Unterhaching vorbeischauen. Dort spielen auch seine beiden Enkelsöhne. Kindern das Kicken beizubringen, ist nach wie vor die große Leidenschaft des dreifachen Papas und vierfachen Opas – auch wenn ihn die Buben mit ihrer neuen virtuellen Welt manchmal zur Weißglut treiben: „Trotz des ganzen Handy- und Computer-Quatschs haben die Jungs von heute dasselbe Hobby wie ich vor 60 Jahren: Sie brennen für den Fußball. Das begeistert mich.“

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