Eine heftige Infektwelle macht derzeit die Runde, oft sind Antibiotika die einzige Rettung. © Foto: Classen/vario-press
München – Zurzeit schwappt eine Grippe- und Infektwelle über München. Wer unter einem Infekt leidet, sollte diesen ernst nehmen und dem Körper Ruhe und Zeit geben, sich auszukurieren, appelliert Hausarzt Dr. Oliver Abbushi: „Man sollte ein paar Tage zu Hause bleiben und den Körper mit leichten Mitteln wie etwa Schleimlösern unterstützen.“ Wenn die Erkältungssymptome dennoch bleiben oder sich verschlechtern und beispielsweise Atemnot hinzukommt, sollte man die Ursachen untersuchen lassen. Hohe Entzündungswerte können auf eine bakterielle Infektion hinweisen, sagt Abbushi. „Dann kann es angebracht sein, Antibiotika einzunehmen.“
Ob das so ist, sollte aber die Hausärztin beziehungsweise der Hausarzt entscheiden. Hausarzt Dr. Sebastian Brechenmacher sieht seine Aufgabe darin, Patienten gut aufzuklären: „Antibiotika sind ein Segen, aber man sollte sie nicht wahllos schlucken, denn es gibt mit ihnen verbundene Risiken, etwa Beschwerden in Magen und Darm, Allergien und die Gefahr, dass immer mehr bakterielle Erreger gegen Antibiotika resistent werden und ihnen die Medikamente nichts mehr anhaben können.“
Fachleute sind besorgt, da Missverständnisse immer wieder zu unsachgemäßem Gebrauch von Antibiotika führen. „Über Antibiotika kursieren etliche Vorstellungen, die falsch sind und sogar gefährlich werden können. Wichtig ist, dass sie nur nach Absprache mit dem behandelnden Arzt eingenommen werden“, erläutert Dr. Ullrich Gottwald von der Debeka. Die Krankenversicherung hat fünf Mythen dazu genauer unter die Lupe genommen.
■ Mythos 1: Antibiotika helfen auch gegen Erkältung und Grippe
Nein, das stimmt nicht. „Es gibt immer wieder Patienten, die denken, die Erkältung verschwinde nur mit einem Antibiotikum, dabei hilft ein solches nicht gegen Viren, sondern nur gegen bakterielle Infektionen“, betont Brechenmacher. Erkältung und Grippe werden jedoch durch Viren verursacht. In einigen Fällen kann eine virale Infektion zu einer sekundären bakteriellen Infektion führen. Beispielsweise wenn sich aus einer Bronchitis eine Lungenentzündung entwickelt. Das nennt man Superinfektion. In solchen Fällen können Antibiotika notwendig werden.
■ Mythos 2: In der Hausapotheke sollten immer Antibiotika sein
Auf keinen Fall! Antibiotika sind verschreibungspflichtig, man erhält sie in der Apotheke nur mit dem Rezept eines Arztes. Das stellt sicher, dass sie ausschließlich bei bakteriellen Infektionen und vor allem auch unter ärztlicher Aufsicht verwendet werden. Der unnötige Antibiotika-Einsatz kann zur Entwicklung einer Antibiotikaresistenz führen.
■ Mythos 3: Antibiotika haben keine Nebenwir- kungen
Falsch! Einige der wohl häufigsten Nebenwirkungen sind Magen-Darm-Probleme wie Durchfall, Übelkeit und Bauchschmerzen. Diese treten auf, weil Antibiotika nicht nur schädliche Bakterien abtöten, sondern leider auch die sehr nützlichen Bakterien im Darm. Diese Veränderung der natürlichen Bakterienflora fördert das Wachstum von Pilzen, was wiederum zu Infektionen im Mund, Rachen oder Intimbereich führen kann. Außerdem reagieren manche Menschen auf Antibiotika allergisch: Es kommt zu Hautausschlag, Juckreiz oder sogar zu anaphylaktischen (starken allergischen) Reaktionen. Bei längerer Anwendung können Antibiotika Nieren- und Leberfunktion beeinträchtigen. Auch die Wirkung anderer Medikamente wird von Antibiotika beeinflusst. Umso wichtiger ist es, sie nur unter ärztlicher Aufsicht und nach genauer Anweisung einzunehmen.
■ Mythos 4: Antibiotika immer bis zum Ende der Packung einnehmen
Was viele Jahre die Regel war, gilt mittlerweile als überholt: Studien haben gezeigt, dass bei vielen Infektionen kürzere Einnahmen genauso wirksam sind wie längere. Laut WHO soll die Dauer der Antibiotikatherapie so kurz wie möglich, aber auch so lange wie nötig sein. Es kommt also immer auf die Infektion, aber ebenso auf den Patienten an.
Und ganz wichtig ist, Folgendes zu beachten: Ein Antibiotikum sollte keinesfalls eigenmächtig abgesetzt werden, sondern immer in Absprache mit dem Arzt. Das gewährleistet die bestmögliche Wirksamkeit und verhindert die Entwicklung von Resistenzen.
■ Mythos 5: Immer mehr Bakterien werden gegen Antibiotika resistent
Das ist leider tatsächlich so! Weltweit werden immer mehr Bakterien gegen Antibiotika widerstandsfähig. Momentan merkt man das bei uns in Europa noch nicht. Aber in den nächsten 25 Jahren wird das Problem deutlich wachsen. Man spricht deshalb schon von einer „stillen Pandemie“, weil das Phänomen global fortschreitet, aber weniger sichtbar als eine akute Pandemie. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, ist ein verantwortungsvoller Umgang mit Antibiotika notwendig.