Dieser Münchner hat sieben Leben

von Redaktion

Gottvertrauen und gute Ärzte: Georg Schneid in seinem geliebten Kirchlein St. Georg. © Foto: Marcus Schlaf

In seiner Brust schlägt ein Kämpferherz: Georg Schneid (rechts) lässt sich von Professor Markus Krane (Mitte) und Dr. Hendrik Ruge (links) die Hightech-Implantate erklären.

Hightech zum Überleben: Das Röntgenbild zeigt die Implantate in Georg Schneids Brust. © Fotos: Dr. Elda Dzilic/Herzzentrum

In seiner geliebten Alten St. Georgs-Kirche in Milbertshofen hat Georg Schneid schon so manche Kerze angezündet. Aber neben Gebeten und unerschütterlichem Gottvertrauen waren auch gute Ärzte nötig, um sein Herz-Wunder zu ermöglichen. Die Herzchirurgen des Deutschen Herzzentrums München operierten den Patienten sieben Mal, zum Teil am offenen Herzen unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine. Der erste Eingriff erfolgte im Juni 2006, der bislang letzte im vergangenen Januar. So gewann Schneid fast zwei Jahrzehnte mit seiner Frau Anna und seiner Familie. Heute sagt der 85-Jährige glücklich: „Ich genieße mein Leben, habe fünf Enkel und vier Urenkel. Es gibt nichts Schöneres, als mit ihnen zu spielen. Der Frühling ist in Sicht. Auf unserem Fensterbankerl habe ich Blumensamen eingesät. Ich freue mich schon auf die Blütenpracht.“

Neue Herzklappen und Schrittmacher

Dieser schöne Lebensabend ist alles andere als selbstverständlich. Wer die speziellen Röntgenbilder seines Brustkorbs betrachtet, schaut praktisch in ein Schaufenster der modernen Herzmedizin. Die Anzahl an Hightech-Implantaten in Schneids Herzen ist rekordverdächtig (siehe Info-Kasten). Darunter befinden sich drei neue Herzklappen (fünf hat er insgesamt bereits erhalten), ein Schirmchen zum Schlaganfallschutz im linken Vorhofohr und ein elektrodenloser Mini-Herzschrittmacher.

Dazu kommen drei Bypässe, die wegen einer schweren Koronaren Herzkrankheit (KHK) gelegt werden mussten. „Bei einer KHK verengen sich die Herzkranzgefäße, die den Herzmuskel mit Sauerstoff versorgen“, erklärt Professor Markus Krane, Direktor der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie im Herzzentrum an der Lazarettstraße. „Bypässe kann man sich vorstellen wie Umgehungsstraßen, die die verstopften Hauptverkehrsadern des Herzmuskels entlasten.“ Bei Schneid waren alle drei großen Herzkranzgefäße betroffen, auf Medizinerdeutsch Dreigefäßerkrankung genannt. Ihm drohte ein Herzinfarkt (siehe Artikel unten).

Doch diese heikle Operation war bereits der dritte Akt in seinem Herz-Drama. Es begann 2006 mit einer kaputten Herzklappe (Diagnose hochgradige Aortenklappenstenose). Die Aortenklappe wurde durch eine biologische Prothese aus Rinderherzgewebe ersetzt. Doch diese hielt nur vier Jahre und musste ausgetauscht werden. Diesmal nutzten die Ärzte die Kathetertechnik, um Schneid eine weitere OP am offenen Herzen zu ersparen. Diese Vorgehensweise revolutionierte Anfang des Jahrtausends die Behandlung schwerkranker Patienten. Dabei wird die neue Herzklappe auf kleinstes Packmaß zusammengelegt, durch einen dünnen Schlauch bis zum Herzen transportiert und dort entfaltet. Für solche Eingriffe verfügt das Herzzentrum über einen Hybrid-OP. „Darin können wir sowohl Operationen am offenen Herzen als auch minimalinvasive Eingriffe vornehmen – mit allen technischen Möglichkeiten der modernen Herzmedizin“, berichtet Herzchirurgie-Chef Krane.

So kam Schneid zunächst wieder auf die Beine, doch 2015 zeigte auch die Ersatz-Ersatzklappe Verschleißerscheinungen, sodass der Münchner seine insgesamt dritte neue Aortenklappe bekam – im selben Eingriff mit den Bypässen. Später erkrankte er auch noch an Vorhofflimmern. Das ist die häufigste Herzrhythmusstörung im Seniorenalter. Sie ist eigentlich meist ungefährlich, birgt aber die Gefahr einer fatalen Kettenreaktion. „Vorhofflimmern kann einen Schlaganfall verursachen, deshalb haben unsere Kollegen von der Kardiologie eine Art Mini-Schutzschirm in den Herzvorhof eingesetzt“, erklärt Krane (siehe Liste der Hightech-Implantate). Für Schneid war das Thema aber noch nicht erledigt: Weil sich im Zuge des Vorhofflimmerns seine Herzfrequenz verlangsamt hatte, bekam er auch noch einen winzig kleinen elektrodenlosen Herzschrittmacher.

Zudem verweigerten in den vergangenen fünf Jahren weitere Herzklappen ihren Dienst. Zunächst bekam Schneid 2021 eine künstliche Mitralklappe, Ende 2024 eine neue Trikuspidalklappe. „In beiden Fällen konnten wir innovative Katheterverfahren nutzen, die erst seit wenigen Jahren zur Verfügung stehen“, berichtet Herzchirurg Dr. Hendrik Ruge. Er ist als leitender Oberarzt zuständig „für die interventionelle Behandlung der strukturellen Herzerkrankung in der Herzchirurgie“. Diese sogenannten interventionelle Therapien sind nach dem Grundprinzip der TAVI-Klappen entwickelt worden, die Abkürzung steht für Transkatheter-Aortenklappenimplantation). „Wir können mit dieser Methode auch Patienten helfen, für die eine OP am offenen Herzen zu belastend und riskant wäre“, erläutert Ruge.

In seiner Krankengeschichte musste Schneid immer wieder Beschwerden aushalten. Er bekam phasenweise schlecht Luft, konnte mitunter kaum noch gehen, litt an Schwindel. Doch damit noch nicht genug: Zwischen all den Herz-Operationen fiel Schneid bei der Obsternte auch noch von einem fünf Meter hohen Birnbaum, riss sich dabei die Milz. „Der Unfall hat mich ein bisschen zurückgeworfen, ich lag danach neun Tage auf der Intensivstation. Aber Aufgeben war für mich noch nie eine Option. Nicht mehr leben zu wollen – so was gibt’s bei mir nicht.“

Seine Willenskraft schöpft der 85-Jährige aus seinem Glauben und aus dem Rückhalt seiner Familie: „Dass ich bis heute noch am Leben bin, ist alles andere als selbstverständlich. Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht zum Herrgott bete und ihm danke. Mir ist so viel Gutes widerfahren.“

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