Funktionsstörungen sind meistens gut behandelbar

von Redaktion

Experte rät zu ausreichender, aber nicht übermäßiger Jodversorgung sowie Fisch und mediterraner Ernährung

Hormone in Tablettenform: Das Schilddrüsen-Medikament L-Thyroxin. © Foto: Imagebroker

Warum ist es so schwierig, Schilddrüsenprobleme zu erkennen?

Zum einen, weil die von der Schilddrüse produzierten Hormone Auswirkungen auf nahezu alle Organe haben und daher gerade bei noch geringen Funktionsstörungen die Symptome nicht immer sofort auf die Schilddrüse hinweisen. Zum anderen, weil viele Menschen kleine, nicht tastbare Knoten ohne Beschwerden haben, die meist harmlos sind, in seltenen Fällen aber auch selbst, wenn sie noch klein sind, dann doch Krebsknoten sein können.

Bei welchen Symptomen sollte der Patient zum Arzt gehen?

Antriebsarmut, Konzentrationsstörungen, Kälteempfindlichkeit, Gewichtszunahme können auf eine Unterfunktion, ungewöhnliche Nervosität, Schwitzen, schneller Herzschlag, Gewichtsabnahme auf eine Überfunktion hinweisen. Tastbare Knoten sollten in jedem Fall abgeklärt werden.

Sind die Schilddrüsenprobleme prinzipiell gut behandelbar?

Ja! Gegen Funktionsstörungen sowohl bei Unter- als auch bei Überfunktion helfen in den meisten Fällen Medikamente, bei Überfunktion manchmal auch Radiojod. Bösartige Knoten müssen operativ behandelt werden, aber auch diese sind in den meisten Fällen gut und erfolgreich behandelbar, wenn sie rechtzeitig erkannt werden.

Spielen Alter und Geschlecht bei Schilddrüsenproblemen eine Rolle?

Beides ist enorm wichtig. Bei Neugeborenen kann eine angeborene Unter- oder Überfunktion unbehandelt schwerwiegende Entwicklungsstörungen zur Folge haben. Bei Erwachsenen sind in circa 80 Prozent der Fälle Frauen von Schilddrüsenerkrankungen betroffen, gutartigen wie bösartigen. Männer sollten daher jedoch nicht denken, dass es sie bei entsprechendem Verdacht nicht betreffen könnte.

Wirken sich Schilddrüsenprobleme auf den Kinderwunsch aus?

Beim Kinderwunsch sollten sich Frauen mit Über- oder Unterfunktion, insbesondere bei der Hashimoto-Erkrankung, unbedingt fachärztlich betreuen lassen. Eine fehlende oder unzureichende Behandlung kann zu Störungen der Schwangerschaft oder der Entwicklung des ungeborenen Kindes führen.

Ist ein Knoten automatisch Grund zur Beunruhigung?

Schilddrüsenknoten sind fast immer gutartig, können jedoch Beschwerden verursachen, vor allem in Nähe der Luft- und Speiseröhre. Knoten sollten in jedem Fall entsprechend abgeklärt werden. Die Frage der Bösartigkeit kann heute durch Ultraschall und Punktion oder letztlich auch durch Operation sicher beantwortet werden.

Gilt es bei der Diagnose Schilddrüsenkrebs schnell zu handeln, und wie sind die Perspektiven?

Über 80 Prozent der Krebserkrankungen der Schilddrüse haben eine sehr gute Prognose, wenn sie rechtzeitig behandelt werden. Die Operation sollte daher nicht verschleppt werden. Wenn der Ultraschall Hinweise darauf ergibt, dass der Krebs die Organgrenzen bereits überschritten hat oder Metastasen erkennbar sind, dann ist ein zügiges Handeln erforderlich.

Ist denn ein gutes Leben auch ohne Schilddrüse möglich?

Ja, in jedem Fall! Die Schilddrüsenfunktion ist durch die regelmäßige Einnahme von Schilddrüsenhormontabletten mit entsprechender Kontrolle der Hormonwerte gut und vollständig ersetzbar. Ein vollständig normales Leben ist damit möglich.

Beeinflusst die Lebensweise, wie Ernährung oder Stress, die Funktion der Schilddrüse?

Hinsichtlich der Ernährung ist vor allem auf eine ausreichende, nicht jedoch übermäßige Jodversorgung zu achten, vor allem in der Schwangerschaft. Fisch und mediterrane Ernährung sind vorteilhaft. Bei Autoimmunerkrankungen, Hashimoto und Basedow ist Stressreduktion sicher hilfreich. Vor allem bei Basedow sollte Rauchen unbedingt vermieden werden.

Helfen Nahrungsergänzungsmittel wie Selen oder Vitamin D bei Schilddrüsenproblemen?

Die Rolle von Selen bei Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse ist noch immer umstritten. Ein gesicherter Langzeiteffekt konnte bislang nicht überzeugend nachgewiesen werden. Eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung ist sicher wichtig, vor allem für den Knochenstoffwechsel. Über eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung hinaus hat diese jedoch keinen Vorteil bei Schilddrüsenerkrankungen oder als Prophylaxe.


INTERVIEW:


SUSANNE HÖPPNER

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