Gut geschützt ist das Gehege der Waldschweine.
Wie riecht wohl ein Baum? Die Ferkel sind neugierig.
Im Hutewald wird es nicht langweilig und es gibt immer etwas zu entdecken für den Nachwuchs.
Nanu, was grunzt denn da? Ein Spaziergängerin freut sich über die Waldschweine.
Ruhiger Moment: Dr. Ruper Stäbler krault eine seiner Zuchtsauen im Wald. Die Tiere dürfen sich auf 200000 Quadratmetern bewegen. © Jens Hartmann (5)
Stephanskirchen – Manchmal kommen bis zu 50 Besucher in das Waldstück bei Stephanskirchen. Sie können sich gar nicht sattsehen an den Schwäbisch-Hällischen Landschweinen, die hier leben. Nicht in einem Stall. Sondern einfach zwischen Eichen, Fichten und Buchen. Die Waldschweine gehören Dr. Rupert Stäbler. Seit 2016 hält er Tiere in sogenannten Hutewäldern, seit vergangenem Jahr baut er eine eigene Zucht auf. Jetzt hat er 44 Ferkel.
Es grunzt im Wald bei Stephanskirchen, es klingt fröhlich, entspannt. Alle 20 Minuten wuselt es besonders, da rufen die Muttersäue ihren Nachwuchs zum Trinken und die Ferkel stapeln sich über-, unter- und nebeneinander an ihren Bäuchen. Manchmal hilft Dr. Rupert Stäbler einem besonders kleinen Ferkel, damit es auch einen Platz ergattern kann. Außer ihm darf keiner den Nachwuchs anfassen. „Da werden die Muttersäue zu echten Furien, sie würden jeden angreifen, der zu nahe kommt, und das ist bei einem Lebendgewicht von rund 300 Kilo kein Spaß.“
Schweine hat der 35-Jährige schon immer gerne gemocht. Bereits als Kind war er Fan von Rudi Rüssel. Und jetzt ist er Besitzer von 12 Muttersauen und eben 44 Ferkelchen. Auf die Idee, Schweine im Wald zu züchten ist der Agrarwissenschaftler unter anderem bei einer Reise nach Korsika gekommen. Dort ist es üblich, dass die Tiere frei in den Wäldern leben. „Das war 2014 so ein Aha-Erlebnis für mich“, erzählt Rupert Stäbler. Zwei Jahre später startete er mit dem Projekt in Bayern und schrieb seine Doktorarbeit über Schweine in Hutewäldern. Die erste Fläche zäunte er in der Nähe von Rosenheim ab, dort konnte er ein Stück, das im Familienbesitz ist, nutzen. „Das Waldstück war kein gutes, da war klar, es geht nicht viel kaputt, wenn der Versuch nicht funktioniert.“
Inzwischen ist der Hauptwald, den Stäbler nutzt, der Wald am Edlinger Weg in der Nähe von Stephanskirchen. Die Schweine dürfen verschiedene Areale nutzen, werden immer wieder umgesiedelt. „Dementsprechend sind sie es auch gewohnt, mal auf dem Hänger transportiert zu werden.“ Von einem Fünf-Sterne-Gehege ins nächste. Die Waldflächen sind abgezäunt. Zwei Zäune schützen Besucher und Bewohner voreinander. Insgesamt stehen den Schweinen rund 200000 Quadratmeter Wald- und Weideflächen zur Verfügung. In absoluten Spitzenzeiten sind es 170 Schweine, die sich diesen Platz teilen. Zum Vergleich: Einem Mastschwein aus ökologischer Haltung stehen 1,3 Quadratmeter und zusätzlich ein Quadratmeter im Freien zu.
Stäblers Waldschweine kommen schon artgerecht auf die Welt. Im Wald gibt es einen Unterstand mit Boxen und Wärmelicht, damit es dem Nachwuchs bei kühlen Temperaturen nicht zu kalt wird. Im Ferkelnest hat es um die 30 Grad Celsius. Die Mütter können jederzeit ins Freie, sich suhlen, fressen, was das Schweineherz begehrt. Eicheln, Gras oder auch Bio-Kraftfutter.
Bei der Geburt, beim Abferkeln, tritt Stäbler so wenig wie möglich in Erscheinung. Die Kleinen sollen ihre Ruhe haben. Und sie dürfen über drei Monate bei den Müttern trinken und lösen sich dann langsam ab, um erwachsen zu werden. Die männlichen Schweine werden wenige Tage nach der Geburt unter Narkose kastriert. „Das würde nicht funktionieren, wenn Dutzende Halbstarke in der Herde wären, außerdem bestünde die Gefahr von Inzucht, und dass eine trächtige Sau geschlachtet wird, die unbemerkt gedeckt wurde“, so der Rosenheimer.
Ganz zu Beginn seines Mastbetriebs kaufte er die Tiere von den Herrmannsdorfer Landwerkstätten, dann von anderen Biobetrieben mit Schwäbisch-Hällischen Schweinen und zog sie in seinem Hutewald auf. So nennt man Wälder, die zur Tierhaltung genutzt werden. Ein jahrhundertealtes Prinzip.
Die heutigen Mütter im Familienwald sind ehemals als Mastschweine zugekaufte Schwäbisch-Hällische. „Ich beobachte meine Tiere oft und lang, bei einigen hatte ich das Gefühl, dass sie sich gut als Zuchtsauen eignen würden, und so bin ich jetzt ein Stück weit autark.“
Von der Geburt bis zum Metzger leben die Tiere ausschließlich im Wald. Ein Riesenvorteil, vor allem, wenn es für die Tiere zum Schlachter geht. Stäbler lässt direkt vor Ort beim Metzger Brunner in Halfing schlachten. Das ist nicht einmal zehn Kilometer entfernt vom Stäbler-Wald, in dem die ausgewachsenen Hällischen leben. „Die Tiere haben keinen Stress, sie sind nicht unruhig oder laut, sie sind ganz friedlich“, erzählt er.
Dania Apuya kommt zufällig bei einer Wanderung an dem Waldstück vorbei, aus dem es so herausgrunzt: „Was für schöne und putzige Tiere. Das ist eine echte Überraschung hier im Wald.“ Fasziniert bleibt sie am Zaun stehen und beobachtet die blitzblanken Tiere. „Die Ferkel haben auf ihrer Haut eine Art Schutzschicht mit Abperleffekt. Da bleibt nicht mal eine Markierung haften“, erklärt ihr Stäbler. Er beantwortet gerne die Fragen von Spaziergängern oder Besuchern. Nur ins Gehege darf niemand rein. „Da gibt es ganz klare Hygienevorschriften, außerdem würden ständig fremde Besucher die Schweine stressen.“
Nicht nur die Schweine profitieren von der Freiheit. Auch der Wald ist Nutznießer der Haltung. „Die Natur verändert sich, es entstehen neue Lebensräume für andere Tiere, aus Suhlen werden beispielsweise Tümpel für Frösche“, so der Agrarwissenschaftler. Ein Win-win-Projekt für Tier und Natur.
Weitere Infos
Fleisch und Wurst der Waldschweine gibt es bei ausgewählten Partnern und Bioläden. Oder man ordert frühzeitig ein halbes Schwein unter www.waldschwein.com oder www.honest-catch.com. Bald auch unter www.rosenheimer-weidefleisch.de