Die Hummelvölker werden in solchen Kisten weltweit verschickt. © Nicolas Armer/dpa
Hummeln sind fleißige Bestäuber: Daher werden sie weltweit im Obst- und Gemüseanbau eingesetzt. © Jens Büttner/dpa
Hummeln sind besonders kräftig: Sie umschließen die Tomatenblüte und bringen sie zum Vibrieren. Erst dann gibt die Blüte ihren Pollen frei. © Patrick Pleul/dpa
München/Berlin – Sie sind gerade mal zwei bis drei Zentimeter klein, aber ganz besonders fleißig, und verfügen über ein begehrtes Talent: Hummeln sind Spezialisten bei der Vibrationsbestäubung. Das macht sie unersetzlich bei der Befruchtung von Tomaten, Auberginen, Kartoffeln, Kürbissen oder auch Erdbeeren und Heidelbeeren. Wenig bekannt ist: Die Insekten mit dem dicken Pelz werden als Nutztiere im Gemüseanbau gehalten. Mit den dicken Brummern wird nicht gerade zimperlich umgegangen!
Vor 40 Jahren setzte der belgische Tierarzt Dr. Roland De Jonghe ein Nest Dunkler Erdhummeln in einem Treibhaus mit Tomaten aus. Die Pflanzen wurden äußerst effizient bestäubt und es gab eine tolle Ernte. Bis zu diesem Zeitpunkt mussten Tomaten im Gewächshaus von Menschen per Hand bestäubt werden, weil sie ihren Pollenschatz nicht so einfach hergeben. Sie müssen buchstäblich in Schwingung kommen. Damals gingen Mitarbeiter dreimal wöchentlich mit vibrierenden Stäben durch die Gänge und berührten jede Blüte einzeln!
Hummeln haben im Gegensatz zu Honigbienen besonders kräftige Brustmuskeln. Diese brauchen sie, um sich bei kühler Luft auf Flugtemperatur aufzuheizen. Und die Muckis werden auch beim Pflanzenbesuch eingesetzt: Hummeln umklammern den Staubbeutel und lassen ihren Körper und die Blüte vibrieren. Den herausgeschüttelten Pollen fangen sie mit der Unterseite ihres Körpers geschickt auf, vermengen ihn mit Speichel und transportieren die Pollenkörnchen in ihren Beintaschen ins Nest. Eine Hummel bestäubt 2000 bis 4000 Blüten am Tag, zu erkennen am Biss an der Blüte! Am dichten Hummelpelz bleibt viel Pollen kleben, sodass Blüten mit ausreichend Pollen bestäubt werden, was zu reichhaltiger Ernte führt. Zudem schaffen Hummeln an einem Tag die zwölffache Menge beim Sammeln von Nektar und bestäuben ein Vielfaches mehr an Blüten als Bienen. Diese haben im Gewächshaus oft Mühe mit der Orientierung und fliegen ständig ungebremst gegen die Scheiben.
Der belgische Tierarzt De Jonghe erfand eine Methode, um die Dunkle Erdhummel das ganze Jahr über nachzuzüchten, und gründete 1987 die Firma Biobest, bis heute der größte kommerzielle Züchter von Hummeln. Bei der Tomatenzucht gelten Hummeln seit der Jahrtausendwende weltweit als Standard. Die europäischen Unternehmen versenden laut Deutschem Tierschutzbund jährlich mehr als zwei Million Hummelnester weltweit. Eine Ausnahme bildet Australien, wo Hummeln natürlicherweise nicht vorkommen, und die Einfuhr nicht heimischer Arten verboten ist.
In Gewächshäusern und zunehmend auch im Freiland werden vollständige Hummelnester in speziellen Kartons ausgesetzt. Die Größe schwankt von 50 bis 300 Hummeln pro Volk, meist wird die Königin mitgeliefert, das verlängert die Lebensdauer eines Volkes auf circa sieben Wochen. Die Tiere werden per Post verschickt, die Hummeln kommen hungrig an, damit sie sich gleich auf die Blüten stürzen. Die natürliche Bestäubung hat durchaus Vorteile: Wo Hummeln brummen, wird auf Pestizide verzichtet, weil diese ja auch die Hummeln töten würden. Doch der weltweite Einsatz der Dunklen Erdhummel hat auch Nachteile, die noch nicht vollständig erforscht sind: So entkommen im Laufe der Zeit gezüchtete Hummeln, einheimische Arten werden verdrängt. Auch können Zuchthummeln Parasiten und Krankheiten übertragen.
Sind nach einigen Wochen alle Blüten versorgt, werden die fleißigen Hummel-Arbeiterinnen entsorgt. Freilassen ist keine Option, da die Insekten sonst die heimischen Wildarten gefährden würden. Verbreitete Praxis ist, die Tiere in ihrer Box in die Gefriertruhe zu stellen. Oft jedoch sind die Temperaturen dabei nicht niedrig genug, sodass die Hummeln später aus der Kältestarre erwachen. Häufig werden die Nester auch verbrannt. Beide Methoden seien mit großem Tierleid verbunden, so Nina Brakebusch vom Deutschen Tierschutzbund.
Viel sinnvoller sei, heimische Wildbienenarten, zu denen die Hummeln gehören, zu fördern. Damit wäre es möglich, Tomaten im Freiland und im Gewächshaus tierfreundlich zu kultivieren. Gebe es mehr wild lebende Bestäuber und wären die Gewächshäuser im Frühjahr und Sommer geöffnet, fänden die Hummeln mit ihrem Geruchssinn von allein dorthin und erledigten die Arbeit. Das Problem sei jedoch zudem, dass Erdbeeren und Tomaten rund ums Jahr nachgefragt werden. Brakebusch: „Eine Ausrichtung der Ernährung auf saisonal und regional verfügbare Obst- und Gemüsesorten würde die Hummelzucht obsolet machen.“ Davon würden am Ende nicht nur die Tiere, sondern auch die Umwelt und der Mensch profitieren.
SUS