Die Engstelle (Kreis) in Beckers Herzkranzgefäßen. © privat
Vorsorge in der Röhre: Eine Herz-Computertomografie wird seit 2025 bei Verdacht auf Engstellen in den Herzkranzgefäßen auch gesetzlich Versicherten bezahlt. © Foto: PantherMedia
Erleichterung über den Vorsorge-Volltreffer: Björn Becker (hinten) ist dankbar, dass sein Kardiologe Prof. Hans Ullrich Ebersberger das Herz-CT veranlasste und ihn damit gerade noch rechtzeitig vor einem Infarkt bewahrte. © Fotos: Martin Hangen
München – Weil ein 43-jähriger Münchner gerade noch rechtzeitig zum Arzt ging, ist er nur knapp einem Herzinfarkt entgangen. Entscheidend war ein Herz-CT. Seit Januar 2025 steht diese Untersuchung auch gesetzlich versicherten Patienten zur Verfügung. Ein Kardiologe erklärt den Vorsorge-Volltreffer und die Hintergründe.
Er ist jung und wirkt topfit, aber in seinen Genen lauert der Herztod. „Schon mein Vater und mein Großvater erlitten einen Herzinfarkt“, berichtet Björn Becker (43). Kardiologen wie Professor Hans UIlrich Ebersberger sprechen in solchen Fällen von einer positiven Familienanamnese: „Der Patient hat erblich bedingt ein stark erhöhtes Risiko, ebenfalls einen Herzinfarkt zu erleiden.“ Zumal sein ungesunder Lebensstil die Gefahr verschärfte: Als Unternehmensberater und Manager bei der traditionsreichen Münchner Firma Knorr-Bremse arbeitete er immer sehr viel, ernährte sich ungesund, trank Unmengen an Kaffee, schlief wenig und trieb kaum Sport.
■ Die Warnsignale
Warnsingale für eine Koronare Herzkrankheit (KHK) nahm Becker zunächst nicht ernst genug. „Vor einigen Jahren spürte ich beim Sex ein Engegefühl in der Brust, aber das ging schnell wieder weg und wiederholte sich auch nur ein Mal.“ Dann kam allerdings ein weiteres unangenehmes Erlebnis dazu. „Ich saß zu Hause am Esstisch, als ich plötzlich ein Brennen am rechten Schulterblatt und ein Druckgefühl in der Brust verspürte. Die Schmerzen strahlten in den Kiefer und in den linken Arm aus.“ Trotzdem machte sich der Münchner zunächst keine größeren Sorgen. Er führte die Beschwerden auf Verspannungen zurück, nachdem er kurz zuvor an der Schulter operiert worden war. „Deshalb bin ich damals auch nicht zum Arzt gegangen, obwohl die Beschwerden länger anhielten. Erst als ich zum zweiten Mal dieselben Symptome bekam, bin ich unruhig geworden.“
■ Auffällige Werte
Daraufhin ließ sich Becker bei Prof. Ebersberger in der Praxis Kardiologie München Nord (Ärztehaus an der Ingolstädter Straße) durchchecken. Ein Belastungs-EKG verlief unauffällig, trotzdem riet der erfahrene Herzspezialist zu einem Herz-CT. Einerseits wegen der erblichen Vorbelastung, andererseits wegen auffälliger Blutfettwerte. So waren Cholesterin und Lipoprotein (a) erhöht. Letzteres gilt als besonders wichtiger Anhaltspunkt für eine erhöhte Herzinfarkt-Gefahr. Der medizinische Hintergrund: Die Blutfette können sich gemeinsam mit anderen Bestandteilen wie Eiweiß und Kalk an den Wänden der Arterien ablagern und dort die sogenannten Plaques bilden. „Weiche Plaques mit einem hohen Fettanteil sind besonders gefährlich, weil sie leichter einreißen können als die stabileren harten Plaques mit einem höheren Kalkanteil. Es kann zu einem Gefäßverschluss und in der Folge zu einem Herzinfarkt kommen“, erklärt Ebersberger.
Dass weiche Plaques zu den Hauptrisikofaktoren für einen Herzinfarkt gehören, ist bereits in mehreren wissenschaftlichen Studien belegt worden. Wie sich später herausstellen sollte, fanden sich genau diese tickenden Zeitbomben auch in Björn Beckers Herzkranzgefäßen. Als Mann im Alter zwischen 40 und 50 Jahren hat er zudem ein deutlich höheres Risiko als Frauen im selben Alter. Denn diese sind bis zur Menopause aufgrund von hormonellen Prozessen stärker vor der Plaquebildung geschützt.
■ Herz-CT zeigt die Gefahr
Das große Problem bei der Früherkennung der Plaques in den Herzkranzgefäßen: Sie lassen sich von außen schwer erkennen, so ist zum Beispiel eine Ultraschalluntersuchung (Fachbegriff Herz-Echo) diesbezüglich wenig aussagekräftig. Anders dagegen eine Computertomografie des Herzens (Herz-CT). Dabei kristallisieren sich Gefäßveränderungen mitunter bereits in einem Stadium heraus, in dem die Durchblutung des Herzmuskels noch nicht eingeschränkt ist und noch keine Beschwerden wie Atemnot, belastungsabhängige Brustschmerzen oder Leistungsabfall bestehen. Das Herz-CT ermöglicht unter anderem, einen Kalk-Score zu bestimmen, der Aufschluss über das Ausmaß der Arterienverkalkung und damit der Herzinfarkt-Gefahr geben kann. Es eignet sich auch sehr gut, um weiche Plaques zu identifizieren. Bei jüngeren Patienten bilden die Informationen aus dem CT zudem die Grundlage dafür, um etwaige Risikofaktoren wie erhöhte Cholesterinwerte mit Medikamenten zu behandeln, meist werden dann Statine (Cholesterinsenker) verordnet.
■ Vorsorge-Volltreffer
Auch für Björn Becker entpuppte sich das Herz-CT als Vorsorge-Volltreffer. Es ergab nämlich, dass eines der drei Herzkranzgefäße bereits zu mindestens 70 Prozent verengt war. Deshalb überwies ihn sein Arzt Prof. Ebersberger zu einer Herzkatheteruntersuchung bei Dr. Markus Deichstetter in der München Klinik Schwabing. Er inspizierte die Herzkranzgefäße mithilfe eines dünnen Schlauchs (Herzkatheter), den er durch eine Arterie im Bereich des rechten Handgelenks eingeführt hatte. Björn Becker war dabei nicht narkotisiert und jederzeit ansprechbar. Bei der Untersuchung bestätigte sich der Verdacht und es stellte sich heraus, dass das erkrankte Herzkranzgefäß sogar bereits zu 90 Prozent verschlossen war. Deichstetter setzte zwei Stents ein. Das sind Gefäßstützen aus einem Draht-Gittergeflecht, die zusammengelegt in dem Katheterschlauch zum Einsatzort transportiert und dort entfaltet werden. Die Stents sollen die Arterie auf Dauer offen halten. Becker blieb eine Nacht in der Klinik.
■ Er änderte sein Leben
Für den vergleichsweise jungen Herzpatienten war das Erlebnis im Herzkatheterlabor eine Art Initialzündung, um sein Leben von Grund auf umzukrempeln und einige schlechte Angewohnheiten aufzugeben. So änderte er zum Beispiel seine Ernährung hin zu viel mehr Gemüse und Fisch mit gesunden Omega-3-Fettsäuren und nahm 15 Kilo ab. „Heute esse ich auch mal Tofu, was mir früher nie auf den Teller gekommen wäre“, erzählt Björn Becker schmunzelnd. „Es gibt jetzt auch weniger rotes Fleisch, eher Geflügel.“ Er bewegt sich auch mehr und hat seinen beruflichen Stress verringert, er baut gerade seine eigene Firma auf. Regelmäßig misst Becker seinen Blutdruck, achtet gewissenhaft auf die Einnahme seiner Medikamente. „Ich möchte natürlich alles tun, um zu verhindern, dass sich wieder ein Herzkranzgefäß fast verschließt.“
■ Wichtige Botschaft
Und nach all dem Glück, dessen sich der Münchner sehr wohl bewusst ist, sieht er sich heute auch ein bisschen als Missionar in Sachen Herz-Vorsorge. Seinen Bruder hat er jedenfalls bereits zum Herz-CT und viele Freunde zu Vorsorgeuntersuchungen ermuntert. Seine Botschaft ist ebenso einfach wie eindrücklich: „So wie es mich fast erwischt hätte, kann es euch auch ergehen.“ Die Statistik gibt ihm leider Recht: In Deutschland erleiden jedes Jahr etwa 300 000 Menschen einen Herzinfarkt, für etwa zehn bis 15 Prozent der Betroffenen endet er tödlich.
ANDREAS BEEZ