Wenn beide Schulter blockieren

von Redaktion

Gelenk-GAU: Patientin und ihr Arzt erzählen, wie die Heilung gelang

Anhand eines Schultermodells erklärt Dr. Nikolay Kaymakanov seiner Patientin die Frozen Shoulder.

Klinische Diagnostik bei Marta Wildhager: „Wenn man die Schulter in der Hand hat, weiß man zu 95 Prozent, ob es eine Frozen Shoulder ist“, sagt der erfahrene Arzt Dr. Nikolay Kaymakanov. © Fotos: Martin Hangen

Die Schulter ist ein komplexes Kugelgelenk, es ermöglicht den Armen einen Bewegungsspielraum von 360 Grad. Verletzungen und Erkrankungen können große Schmerzen und Einschränkungen im Alltag verursachen. Dazu gehört die Frozen Shoulder – eine langwierige Sache, die Marta Wildhager schwer zusetzte. Hier erzählen die Patientin und ihr Arzt, wie die Heilung gelang.

Marta Wildhager konnte sich nicht mehr selbst anziehen. „Über Monate musste mein Mann mir helfen – beim Haarewaschen, beim Hosehochziehen, wenn ich in einen Pulli schlüpfen wollte. Wir sind glücklich verheiratet – aber das war eine Prüfung für unsere Ehe“, erzählt die 56-Jährige aus Karlsfeld. Die berufstätige Mutter einer erwachsenen Tochter ist eigentlich selbstbewusst, lebensfroh, unabhängig. Doch plötzlich ging nichts mehr: Die Schultern – beide zugleich – machten dicht. Extrem starke Schmerzen, kaum eine Chance, die Arme nach oben oder hinten zu bewegen, und ein monatelanger Ärztemarathon folgten. Schlussendlich die Diagnose: Frozen Shoulder. Eine Erkrankung, die besonders Frauen in den Wechseljahren trifft – und oft viel zu spät erkannt wird.

„Es begann im Dezember 2022. Ich habe plötzlich in beiden Schultern Schmerzen bekommen – von einem Tag auf den anderen“, erinnert sich Marta Wildhager. Zunächst dachte sie an Verspannung oder eine harmlose Überlastung. Doch es wurde täglich schlimmer. Yoga half nicht – im Gegenteil. Auch die Physiotherapie verschlimmerte alles. Schmerzmittel, Osteopathie, Magnettherapie, Eigenblut-Injektionen – sie hat alles ausprobiert, nichts half nachhaltig. „Ich war verzweifelt, konnte nachts kaum schlafen, stand ständig unter starken Schmerzmitteln und habe mich selbst nicht mehr erkannt“, sagt sie. Schließlich landete sie nach elf Monaten durch die Empfehlung einer Freundin in der Schön Klinik München Harlaching – bei Dr. Nikolay Kaymakanov, einem Spezialisten für Schultererkrankungen.

„Frozen Shoulder ist eine tückische Erkrankung“, erklärt Dr. Kaymakanov. „Sie ist schwer zu diagnostizieren, schwer zu therapieren und schwer zu erklären – das wusste schon der amerikanische Chirurg Ernest Codman, der in den 1930er-Jahren den Begriff prägte und die Erkrankung systematisch beschrieben hat.“ Es handelt sich um eine Entzündung der Gelenkkapsel, die zu einer zunehmenden Versteifung der Schulter führt. Typischerweise verläuft die Krankheit in drei Phasen: diffuse Schmerzen, zunehmende Bewegungseinschränkung – und schließlich die langsame Rückkehr der Beweglichkeit. Die gute Nachricht: „Die Prognose ist ausgezeichnet. Fast immer heilt die Frozen Shoulder von selbst – allerdings über viele Monate hinweg.“

„Zwischen 40 und 60 Jahren sind Frauen besonders häufig betroffen“, sagt der Schulterspezialist. Etwa acht Prozent leiden in dieser Lebensphase unter der Erkrankung. Hormonelle Veränderungen in den Wechseljahren gelten als Ursache. „Östrogen hat eine entzündungshemmende Wirkung – wenn der Spiegel sinkt, steigt das Risiko für Erkrankungen wie Frozen Shoulder. Studien zeigen: Frauen, die eine Hormonersatztherapie machen, sind nur halb so oft betroffen.“ Auch Begleiterkrankungen wie Diabetes oder Schilddrüsenprobleme erhöhen das Risiko.

Für Marta Wildhager war die Behandlung in der Schön Klinik Harlaching der Wendepunkt ihrer Leidensgeschichte. Der Weg dorthin war allerdings hart. Mehrere Orthopäden hatten die Krankheit nicht erkannt und auf eine Arthrose getippt. Als letzte Station vor der entscheidenden Diagnose verbrachte sie 16 Tage stationär in einer Schmerzklinik. „Ich habe unter Tränen an Übungen teilgenommen und habe so sehr gehofft, dass dadurch alles besser wird. Ich war völlig erschöpft, doch die Schmerzen wurden noch schlimmer, ich bekam Opiatpflaster, musste als Nebenwirkung ständig erbrechen und war wie in Trance. Aber ich wollte unbedingt gesund werden.“ Nach der entscheidenden Diagnose durch Dr. Kaymakanov erhielt sie schließlich gezielt gesetzte Cortisonspritzen, die die Entzündung eindämmten. „Mit einer gewissen Erfahrung ist die Diagnose relativ einfach – wenn man die Schulter in der Hand hat, weiß man zu 95 Prozent, ob es eine Frozen Shoulder ist“, sagt der Oberarzt. Zur endgültigen Bestätigung kam Marta Wildhager noch ins MRT – inklusive Kontrastmittel. So konnten andere Ursachen wie etwa Arthrose, ein Tumor oder ein Sehnenriss ausgeschlossen und die schmerzlindernde Therapie begonnen werden. „Nach der zweiten Spritze war der Schmerz weg. Es war wie ein Wunder.“ Ganz wie vorher ist sie noch nicht, aber: „Ich kann beim Schlafen wieder seitlich auf der Schulter liegen. Das bedeutet mir sehr viel“, erzählt die Patientin.

„Wenn man früh eingreift, kann man viele Schmerzen vermeiden“, sagt Dr. Kaymakanov. Eine gezielte Cortisontherapie in der richtigen Phase kann viel bewirken. „Entscheidend ist: Die Diagnose muss stimmen. Viele Patienten bekommen falsche Behandlungen – etwa aggressive Krankengymnastik in der Entzündungsphase, das verschlimmert alles.“ Der Arzt rät zu mehr Aufklärung – und Mut, eine Zweitmeinung einzuholen. Denn: „Nicht jeder, der Schulterprobleme hat, muss gleich unters Messer.“ Ganz wichtig ist für viele Frauen auch, dass die richtig gestellte Diagnose vor allem Hoffnung macht – weil fast jede Frozen Shoulder nach etwa eineinhalb Jahren ausheilt, auch ohne Therapie. „Allein diese Aussicht ist unfassbar erleichternd für viele Frauen, weil sie wissen, dass sie die fürchterlichen Schmerzen nicht für immer ertragen müssen“, so der Experte von der Schön Klinik Harlaching. Marta Wildhager bestätigt das und hat einen Wunsch: „Ich will, dass mehr Frauen wissen, was hinter solchen Schmerzen stecken kann – und sich nicht abwimmeln lassen. Mein Leidensweg war viel zu lang. Das muss nicht sein.“SUSANNE HÖPPNER

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