Sorge wegen Bauchspeicheldrüse

von Redaktion

Nutzt Innovationen im OP, darunter Robotik: Chirurg Professor Franz Bader. © Foto: Marcus Schlaf

Erfahrung aus mehr als 50000 Darmspiegelungen: Gastroenterologe PD Dr. Holger Seidl. © Foto: Sigi Jantz

Späte Symptome: Wenn ein Pankreaskarzinom Schmerzen verursacht, ist die Erkrankung meist schon weit fortgeschritten. © Foto: Smarterpix

München/Berlin – Krebs wird immer öfter zu einer chronischen Erkrankung. Viele Patienten leben länger und besser damit als früher, können mitunter sogar geheilt werden. Es gibt allerdings eine Tumorart mit vergleichsweise wenig ermutigenden Entwicklungen: das Pankreaskarzinom. In Deutschland trifft es jedes Jahr bereits mehr als 20 000 Menschen, und die Zahl der Fälle steigt stetig an. Bereits in fünf Jahren werde Bauchspeicheldrüsenkrebs die zweithäufigste Krebs-Todesursache nach Lungenkrebs sein, prophezeien Wissenschaftler. Doch ein Durchbruch bei der Therapie ist nicht in Sicht. Deshalb fordern Mediziner einen Ausbau der Forschung mit neuen Studien, um Prävention und Früherkennung zu verbessern.

Das Dilemma bei Bauchspeicheldrüsenkrebs: Die Erkrankung verläuft lange ohne Symptome. Wenn die Patienten die Diagnose erhalten, ist der Tumor oft schon weit fortgeschritten. „Leider gibt es keine wirklich effektive Früherkennung“, berichtet Privatdozent Dr. Holger Seidl vom Münchner Isarklinikum. Um diesen hochaggressiven Krebs zu besiegen, müsste der Tumor vollständig entfernt werden. Doch nur etwa 20 Prozent der Patienten überhaupt für eine Operation infrage. „Zudem ist die Rückfallquote nach den Eingriffen sehr hoch“, erläutert der Krebsspezialist.

Angesichts der düsteren Prognose und tragischer Verläufe bei prominenten Patienten wächst auch in der Bevölkerung die Angst vor Bauchspeicheldrüsenkrebs. „Viele Menschen haben Angst davor“, weiß Seidl, Chefarzt der Gastroenterologie. Dort fragen Patienten immer öfter nach, wie sie sich vor der gefürchteten Tumorart schützen können. Offiziell kann ihnen Seidl meist keine Vorsorge anbieten. Denn Ultraschalluntersuchungen sind wenig hilfreich, um den Tumor in dem kleinen Zeitfenster zu erwischen, in dem er noch operabel wäre. Anders als etwa bei Darmkrebs können Vorstufen nicht bei einer Spiegelung, sondern nur unter dem Mikroskop sicher enttarnt werden. Dazu wäre eine Biopsie nötig, es müsste also eine Gewebeprobe der Bauchspeicheldrüse entnommen werden. „Die Bildgebung mittels Ultraschalls, Computer- oder Kernspintomografie stößt hier an ihre Grenzen“, erläutert Professor Patrick Michl vom Uniklinikum Heidelberg. Das sei einer der Gründe, warum es bisher keine ausreichenden Vorsorgeuntersuchungen mit nachgewiesenem Nutzen für die Allgemeinbevölkerung gibt.

Doch der Druck auf die Medizin, Lösungen zu finden, wächst mit der steigenden Patientenzahl. „Wir brauchen dringend neue Wege in der Früherkennung und Prävention des Pankreaskarzinoms“, forderte Michl jüngst bei einer Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Denn typische Warnzeichen wie Gelbsucht, Gewichtsverlust, Schmerzen und plötzlich stark erhöhte Blutzuckerwerte (Diabetes) treten meist erst dann auf, wenn es erfolgreiche Behandlung der Krebserkrankung schon zu spät ist. Ein Ansatz könnte sein, die Risikofaktoren stärker zu berücksichtigen und genauer zu analysieren. Dazu gehören Übergewicht, Rauchen und zu viel Alkohol. Auch Diabetes, chronische Entzündungen der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis) und bestimmte Lebererkrankungen erhöhen die Gefahr, dass sich ein Pankreaskarzinom bildet. Neben neuen Studien könnte künstliche Intelligenz helfen, individuelle Risikoprofile zu erstellen, so die medizinische Fachgesellschaft.

Nach den aktuellen Behandlungsleitlinien werden vor allem familiär vorbelasteten Menschen Vorsorgeuntersuchungen empfohlen. „Wer beispielsweise mehrere erstgradige Verwandte mit Pankreaskrebs hat oder aus einer Familie mit einer bekannten Genmanipulation stammt, sollte sich untersuchen lassen“, rät die DGVS. Konkret empfiehlt sie in solchen Fällen jährliche MRT- oder Ultraschalluntersuchungen.

Die große Hoffnung der Experten besteht darin, mehr Patienten wesentlich früher als bislang zu erkennen – und damit ihre Chancen auf eine erfolgreiche Operation zu erhöhen. „Hier helfen uns die Innovationen der modernen Chirurgie und der Robotik“, berichtet Prof. Franz Bader, der Chef der Viszeralchirurgie im Isarklinikum. An der Bauchspeicheldrüse gibt es drei häufige OP-Verfahren – je nachdem, wo genau sich der Tumor befindet und wie weit er sich bereits ausgedehnt hat. So kommt eine Entfernung des Pankreaskopfs (Kausch-Whipple-Operation), eine Entfernung des linken Teils (Pankreasschwanz) oder eine vollständige Beseitigung der Drüse infrage. In jedem Fall muss der Patient erhebliche Nebenwirkungen in Kauf nehmen. Sie reichen von der lebenslangen Einnahme von Enzymen bis zu Typ-1-Diabetes.

Weil die OP nur für wenige Patienten infrage kommt, versuchen Spezialisten, die palliative Therapie zu verbessern. „Wir haben inzwischen neue Chemotherapien und auch biologische Medikamente auf der Basis von Antikörpern zur Verfügung“, berichtet Gastroenterologe Seidl. „Trotzdem bleiben den Patienten während der palliativen Behandlung meist keine zwölf Monate mehr. Wir können nur hoffen, dass die Wissenschaft hier rasch weitere Fortschritte erzielt.“

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