Strategien gegen die Angst bei Krebs

von Redaktion

Angst begleitet Krebspatienten. Das Gefühl des Ausgeliefert-Seins ist normal, sagt die Psycho-Onkologin Dr. Friederike Mumm und erklärt, wie man vorbeugt, damit die Angst nicht die Kontrolle übernimmt. © Smarterpix

München – Dr. Friederike Mumm leitet die Psycho-Onkologie am LMU-Klinikum und dem Krebszentrum CCC LMU München in enger Kooperation mit dem Verein Lebensmut. Die Psycho-Onkologin und Hämato-Onkologin begleitet Krebskranke und ihre Angehörigen durch die sehr bewegte Zeit der Erkrankung und darüber hinaus. Im Interview erklärt sie Wege und hilfreiche Strategien zur Bewältigung der Ängste von Betroffenen.

Welche Rolle spielt die Angst bei Erkrankungen?

Angst hat eine Schutzfunktion und ist ein Warnsignal, das uns dazu anhalten will, innezuhalten und zu überlegen, ob wir Unterstützung brauchen und ob wir etwas verändern müssen. Bei einer Diagnose einer schwerwiegenden Erkrankung sind Ängste eine normale psychische Antwort. Es gibt im Verlauf einer Erkrankung verschiedene Phasen und ebenso auch verschiedene Ängste: Die Patienten haben Angst vor Untersuchungen, schlechten Nachrichten, vor neuen Behandlungsschritten und auch nach der Therapie treten oft noch Ängste auf: bei Krebspatienten beispielsweise vor dem Wiederauftreten von Krebs.

Wie begegnet man der Angst?

Es gibt hier verschiedene Strategien. Ich rate dazu, in einem ersten Schritt die Angst als normale Reaktion anzunehmen und bewusst zu betrachten und nicht zu versuchen, sie wegzudrücken. Sollten die Ängste überwältigend und anhaltend sein, oder auch Panikattacken auftreten, ist es notwendig, professionelle medizinische und psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. In einem zweiten Schritt hilft es sehr, die Ängste zu benennen und Angehörigen, Freunden und auch dem Behandlungsteam mitzuteilen. Es ist wichtig, dass diese Bescheid wissen. Sie können hilfreiche Informationen zum Umgang mit Ängsten geben und sie – zumindest in Teilbereichen – entkräften. Denn wenn ein Arzt genau weiß, wovor Ängste bestehen, gelingt es oftmals, dem Patienten die Ängste durch Erklärungen zumindest teilweise zu nehmen. In der Onkologie bestimmen wir in zertifizierten Zentren auch die psychosoziale Belastung im Rahmen des sogenannten Disstress Screenings. Ein guter Arzt sollte immer auch fragen, wie es seinen Patienten geht, auch mit ihren Ängsten.

Welche Wirkungen hat Angst auf den Körper?

Die körperlichen Symptome der Angst sind vielfältig. Ein Symptom sind zum Beispiel Schlafstörungen, zudem zeigt sich Angst oft auch durch Atemnot, beschleunigten Herzschlag, verstärktes Schwitzen und ein ungutes Gefühl im Bauch. Zum Unwohlsein im Bauch kommen oft auch körperliche Symptome wie Übelkeit, Durchfall oder Verstopfung hinzu. Angst kann auch Schmerzen verstärken, ebenso kognitive Beeinträchtigungen zur Folge haben, sodass die Patienten keinen klaren Gedanken mehr fassen können. Ängste haben also massive Einwirkungen auf die Lebensqualität. Werden die Ängste immer weggedrückt und nicht bewältigt, kann sich sogar eine generalisierte Angststörung entwickeln.

Was kann man tun, wenn man in der Familie oder bei Freunden starke Ängste bemerkt?

Zunächst einmal sollte man sich selbst und auch dem Betroffenen gegenüber eingestehen, dass man nur erahnen kann, wie es sich für den Betroffenen anfühlt. Ich rate dazu, offen mit Gefühlen umzugehen und den Betroffenen zu fragen, wie man helfen kann. Ich höre oft von Patienten, dass sie ihren Freunden und Partnern nicht nur über ihre Ängste und ihre Erkrankung erzählen wollen. Sie wollen auch weiterhin schöne Dinge gemeinsam unternehmen, um sich abzulenken und schlichtweg Normalität erleben. Was das ist, kommt auf den Einzelnen an: Manche lieben es, in ein schönes Café zu gehen oder ein Konzert, andere wollen lieber Herausforderungen körperlicher oder geistiger Art. Wenn jemand Angst hat, hilft es ihm selten, viele Ratschläge zu bekommen. Statt ihm oder ihr Tipps zu geben, rate ich zu Angeboten – zu gemeinsamen Unternehmungen, zu konkreter Unterstützung und Entlastung im Alltag oder ähnlichem.

Welche nicht medikamentösen Therapien gibt es?

Man bewältige Ängste am ehesten mit Dingen, die Spaß machen, erfüllen und Sinn geben. Es gibt viele Wege, die zur Entlastung führen: Das Gespräch mit einem Psycho-Onkologen oder einer Psycho-Onkologin oder kreative Ansätze wie Musik- und Kunsttherapie. Manchen Menschen hilft es, Tagebuch zu schreiben, andere finden Ruhe in der Natur, andere beim Yoga oder durch Meditation oder Atemtherapie. Auch Spiritualität und Religion können helfen, Ängste zu bewältigen. Welcher Weg der Richtige ist, kann man an sich selbst beobachten: Wird die Atmung ruhiger und schlägt das Herz langsamer, ist der Weg vermutlich passend. Körper und Seele streben nach Gleichgewicht. Ängste gehören zum Leben, sie sollten aber nicht dominieren.

■ Krebsinformationstag

Dr. Friederike Mumm hält beim Krebsinformationstag am 20. September in München einen Vortrag über Strategien gegen die Angst. Das Programm finden Sie unter www.krebsinfotag-muenchen.de

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