Volksfest-Genuss ohne Reue

von Redaktion

Ernährungsexperte Prof. Hans Hauner. © Marcus Schlaf

Ayurveda-Experte und Arzt Dr. Ulrich Bauhofer. © Bodmer

Ernährungsexpertin Dr. Nicole Erickson. © privat

Veganes Hühnerfrikassee (li.) und ein halbes Wiesn-Hendl – auf Volksfesten wie dem Oktoberfest gibt es auch immer mehr leichtere Gerichte. © dpa/Tobias Hase

München – Klar, niemand geht auf ein Volksfest, um zu fasten. Wir fragten drei Münchner Top-Ernährungsexperten, wie es gelingen kann, im Schmankerlparadies zwischen Festzelt und Herzerlstand effektiv Kalorien zu sparen.

■ Dr. Nicole Erickson

„Man geht zum Genießen und Schlemmen auf die Wiesn, und daran ist nichts verkehrt, solange man im Alltag gesund lebt“, schickt die Ernährungsexpertin Dr. Nicole Erickson vorweg. Die Gesundheits-Koordinatorin des Münchner Krebszentrum CCC hat aber dennoch ein paar hilfreiche Ideen, wie der Wiesnbesuch weniger Hüftgold hinterlassen kann: „Statt auf etwas zu verzichten, ist es viel besser, eine hochkalorische Mahlzeit durch eine mit einer niedrigeren Kaloriendichte zu ersetzen.“ Sprich: Steckerlfisch hat weniger Kalorien als ein fetter Schweinsbraten oder ein halbes Hendl, und auch beim Steckerlfisch kann man durch die clevere Auswahl weitere Kalorien sparen. Denn Makrele hat pro hundert Gramm 165 Kilokalorien, fettärmere Lachsforelle oder Saibling dagegen 155. Erickson: „Das klingt wenig, aber man isst ja nicht nur 100 Gramm, und so summiert es sich.“ Wer statt einem Wiesnhendl, das stolze 700 Kilokalorien hat, einen Ochsenbraten nimmt, spart auch 200 Kalorien. Eine Heringssemmel hat 300 kcal, eine Semmel mit fettreicherem Lachs dagegen 420 kcal.

Ericksons zweiter Tipp: Kräftig zulangen bei den kalorienarmen Beilagen wie Rettich (Radi), Radieschen, Tomaten und Salat: „Essen Sie die Verzierung, da bekommen Sie Ballaststoffe und Vitamine und sparen Fett und Kohlenhydrate.“ Sauerkraut hat pro 100 Gramm 25 kcal, Blaukraut 35 kcal, Krautsalat 100 kcal. Kartoffelknödel enthalten pro 100 Gramm nur 80 kcal, was pro Knödel etwa 178 kcal ausmacht. Semmelknödel sind etwas reichhaltiger und sind bereits bei 170 kcal pro 100 Gramm, was pro Knödel etwa 304 kcal sind. Aber Vorsicht, wer seinen Knödel kräftig in Soße tunkt, muss mit zusätzlich 200 kcal pro Portion rechnen. Wahre Kalorienbomben sind auch gebrannte Mandeln mit 590 kcal, aber immerhin haben Mandeln wertvolle Inhaltsstoffe. Wesentlich kalorienarmer ist da ein kandierter Apfel mit 160 kcal pro Stück.

Und nicht zu vergessen: Alkohol hat ordentlich kcal, und zwar pro Gramm 7 kcal, Zucker pro Gramm 4 kcal, ein Gramm Fett hat 8 kcal. „Insofern dient es auch der Dirndlfigur, zwischendrin eine alkoholfreie Mass oder Wasser zu trinken.“ Ericksons Devise für die Festgäste: Wer kräftig gefeiert und geschlemmt hat, sollte an den folgenden Tagen kürzertreten.

■ Dr. Ulrich Bauhofer

„Da Bier sehr kalorienreich ist und viel Alkohol zu einer negativen Flüssigkeitsbilanz führt, also einen dehydrierenden Effekt hat, sollte man zwischendurch reichlich Wasser trinken,“ empfiehlt der Münchner Arzt und Ayurveda-Experte Dr. Ulrich Bauhofer. Wer sich zu viel Alkohol gegönnt hat, sollte am nächsten Tag darauf verzichten. „Damit dem Wiesn-Genuss am nächsten Tag nicht die Reue folgt, hilft zum Beispiel ein Suppentag. Dazu auch viel Kräutertees mit reichlich Bitterstoffen wie der Drei-Samen-Tee mit Fenchel, Kreuzkümmel und Koriander oder Schafgarbe-, Bockshornklee-, Tausendgüldenkraut-, Löwenzahn- oder Ingwertee, um die Leber zu entlasten.“

In vielen Zelten gibt es auch vegetarische Alternativen zu den üblichen Wiesnschmankerln, wie etwa veganes Hühnerfrikassee: „Fleischlose Gerichte können sehr schmackhaft sein, sind leicht verdaulich, was vor allem abends wichtig ist, und enthalten nicht so viele Kalorien“, sagt Dr. Bauhofer, und empfiehlt, dass man es einfach nicht übertreiben sollte. „Natürlich darf Schlemmen schon mal sein, aber man sollte auf ausgleichende Maßnahmen danach achten“, rät der Ayurveda-Experte und fügt an: „Auch rate ich dazu, sich Gerichte zu teilen, kleinere Portionen und bei den Süßigkeiten die kleine Tüte zu wählen.“

■ Prof. Hans Hauner

„Die klassischen Essensangebote beim Oktoberfest aus der bayerischen Küche werden oft in übermäßigen Portionsgrößen verkauft, die kein Mensch braucht“, warnt Ernährungsexperte Prof. Hans Hauner: „Auch beim regelmäßigen Anstoßen mit dem Masskrug oder beim Mitsingen oder Mittanzen im Bierzelt können diese Kalorien nicht verbrannt werden und bleiben am Körper hängen.“

Ein Oktoberfestbesuch bedeutet also in der Regel „Stress“ für den Stoffwechsel und insbesondere die Leber, betont der Ernährungsexperte. Dabei dürfen die flüssigen Kalorien nicht vergessen werden. Eine Mass Festbier enthält rund 500 kcal, der größte Teil davon ist der leberschädliche Alkohol. Jeder kann sich nach seinem Bierkonsum leicht ausrechnen, wie viel alleine an „flüssigen Kalorien“ zusammenkommen. Fast alle sonstigen Schmankerl, denen auf dem Oktoberfest reichlich zugesprochen wird, sind ziemliche Kalorienbomben (siehe unten). Auch beim Wiesn-Hochgenuss sollte man Folgendes im Hinterkopf behalten, rät Prof. Hauner: „Ein erwachsener Mensch benötigt für einen ganzen Tag etwa 1500 bis maximal 2500 kcal – Frauen meist weniger als Männer. Auch eine üppige Mahlzeit, also Essen und Getränke, sollte 1000 kcal möglichst nicht überschreiten!“

Jeder Wiesnbesucher sollte sich am besten vorher überlegen, wo und wie stark er bei dem großen und verführerischen kulinarischen Angebot zugreift, sagt Hauner: „Relativ günstig in Sachen Kalorien und Geld sind die diversen belegten Semmeln, von der Ochsenfetzensemmel bis zur Heringssemmel. Auch eine kleine Portion Popcorn, Zuckerwatte oder gebrannte Nüsse ist nicht schädlich, sofern es sich nicht zusammenläppert.“

Prof. Hauner begrüßt es, dass es zunehmend gesündere Essensangebote wie Salatteller mit Putenfleisch oder Shrimps gibt. Auch bei den Getränken gibt es kalorienärmere oder kalorienfreie Alternativen. „Mich freut es, dass inzwischen überall alkoholfreies Bier bestellt werden kann, das nicht nur die Leber schont, sondern bis zu einem Drittel weniger Kalorien enthält“, sagt Hauner und rät: Am besten, man macht es wie viele Politiker und lässt sich Wasser im Masskrug servieren.

Wer doch über die Stränge schlägt, sollte zumindest ein oder zwei Tage nach dem Besuch der Wiesn sparsam mit dem Essen sein bzw. leichte Kost bevorzugen.

Was isst Ernährungsexperte Hauner selber, wenn er auf die Wiesn geht? Zusammen mit seiner Frau eine Mass Festbier (bei mehr Durst dann Wasser), ein halbes Hendl (Fettteile werden entfernt), Krautsalat, Breze und evtl. noch eine kleine Portion gebrannter Nüsse hinterher. Danach sind beide satt.

Artikel 2 von 7