Vögel in Not: Jede Feder zählt

von Redaktion

Freunde gründen Vogelstation, die schon nach drei Jahren aus allen Nähten platzt

Der Bedarf ist riesig: Die Vogelhilfe in einem alten Hühnerstall ist schon viel zu klein geworden.

Vögel sind sein Hobby: Patrick Mittermaier mit Uhu.

Sandra Spiel füttert einen Ästling: Alle 45 Minuten brauchen die Kleinen Nachschub. Über 1000 Vögel wurden letztes Jahr versorgt. © Rosshart (3)

Rosenheim – „Jede Feder zählt“ ist das Motto der Wildvogelhilfe Roßhart, die seit Oktober 2022 existiert. Aus einer Not heraus: Eine kleine Kohlmeise wurde hinter einem Müllcontainer gefunden, ein Nestling, der – wie sich herausstellte – aus dem Nest geflohen war. Alle Geschwister im Nistkasten waren tot. „Womöglich weil die Eltern nicht genug artgerechtes Futter gefunden haben“, mutmaßt Patrick Mittermaier (36). Bei Regen und Kälte kann es auch sein, dass die Altvögel mit nassem Gefieder zu viel Feuchtigkeit in der Bruthöhle eintragen und die Jungvögel auskühlen und sterben. „Als wir eine Pflegestelle für den Vogel suchen wollten, mussten wir feststellen, dass es im Umkreis von über 40 Kilometern keine einzige gab“, sagt Mittermaier. Das war die Geburtsstunde der Wildvogelhilfe Roßhart in Edling, die sich wertvolle Infos von Gerhard Wendl in Olching geholt hatte und deren Mitglieder jede Menge Fortbildungen absolvierten.

Die kleine Station in Roßhart, die in zwei alten Hühnerställen untergekommen ist, versorgte 192 Vögel im ersten Jahr, 750 im zweiten Jahr und sage und schreibe 1019 Vögel im dritten Jahr. Würde Mitstreiterin Sandra Spiel nicht nebenan in der Familienfirma arbeiten, wäre das nicht zu stemmen. Auch Patrick Mittermaier arbeitet Vollzeit als Elektroniker in Rosenheim. Und wenn dann 86 Vögel gleichzeitig gefüttert werden müssen, reichen die freiwilligen Helfer nicht mehr aus. Nestlinge müssen alle Viertelstunde gefüttert werden, voll befiederte Vögelchen alle 45 Minuten! Die Wildvogelhilfe entschloss sich Minijobber anzustellen, weil sie sonst Vögel hätten abweisen und in den sicheren Tod schicken müssen „Wir müssen ein Drittel der Spenden für diese Jobs aufwenden. 13 000 Euro braucht man im Jahr allein für Futtertiere.“ Geld ist leider ein limitierender Faktor, Bayern hat generell kein Geld mehr für den Naturschutz. Wo Tierheime noch einen kleinen Beitrag pro Fundtier bekommen, gehen Wildtiere komplett leer aus! „Wenn uns mal ein Großspender etwas vererben würde, das wäre der Jackpot“, lächelt Mittermaier. Und so gehen sie weiter ans Limit. „Beim großen Schwalbensterben 2024, als, bedingt durch den Kälteeinbruch, Schwalben in Massen starben, waren 350 Schwalben gleichzeitig da. 15 Leute haben geholfen, wir konnten 250 Vögel retten!“

Mittermaier will auch mit den großen Mären aufräumen. „Wenn ein Nestling, der teils noch nackt ist, aus dem Nest fällt, braucht er dringend Hilfe. Er hat außerhalb des Nestes keine Chance. Ästlinge hingegen sind die Jungvögel, die außerhalb des Nestes ihre Flugfähigkeit, die Jagd und Nahrungsaufnahme üben. Selbst wenn es öfter kommuniziert wird, dass man einen Ästling am Boden einfach sitzen lassen soll, weil die Eltern in der Nähe sind, ist diese Empfehlung falsch. Maximal eine junge Amsel hockt mal am Boden und selbst die würde flüchten. Ein Ästling am Boden, der sich nicht rührt, hat definitiv ein Problem!“ Mittermaier erlebt dann oft, dass ein Vögelchen tot ankommt. „Dem Vogel wurde vom Finder Wasser gegeben, auch das wird empfohlen. Vogeleltern geben auch kein Wasser, Vögel trinken erst viel später selbstständig Wasser. Der kleine Vogel hat hinter der Zunge eine Luftöffnung, die offen ist. Das Wasser fließt in die Lunge und das Tier stirbt. Das ist wirklich eine Haupttodesursache.“ Auch das Auskühlen beim Transport ist ein Problem. „Man kann eine Wärmeflasche oder ein Kirschkernkissen benutzen, notfalls eine Plastikflasche mit warmem Wasser füllen. Diese Wärmequelle bedeckt man mit einem Handtuch und stabilisiert den Vogel, damit der nicht zur Seite kippen kann.“

Noch immer herrscht eben viel Halbwissen oder blinder Aktionismus, der wirklich tödlich sein kann.

Nun ist im Herbst zwar die Zeit der Jungvögel vorbei, aber auch Altvögel verunglücken. Vögel fliegen gerade jetzt mit dem flacheren Licht gegen Scheiben. „Ist der Vogel seitlich dagegengeflogen, hat er sich mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Flügel ausgekugelt, was ein Todesurteil ist. Wenn er „nur“ eine Gehirnerschütterung hat, sollte man ihn in einen Pappkarton mit Luftlöchern auf ein Handtuch und Papiertücher setzen. Man schafft ihn ins Warme und Dunkle, wo er drei bis vier Stunden einfach Ruhe haben sollte. Wichtig ist es, dass der Karton etwas höher ist, denn nur, wenn der Vogel selbstständig nach oben abheben kann, ist alles gut. Schafft er das nicht, braucht er weiter Hilfe.“ Gerade diese Altvögel liegen Mittermaier sehr am Herzen. „Kürzlich kam ein Braunkehlchen, die sind sehr selten und hier geht es wirklich darum, eine ganze Art zu retten!“

Der Bienenfresser dagegen ist eher ein Gewinner des Klimawandels. Ein Anruf meldete vor kurzem, man habe einen „sehr bunten Vogel“ gefunden. Das war auf einem Weingut bei Wien, das von Rosenheimern besucht worden war. Weil sie keine Auffangstation fanden, reist der Bienenfresser nach Edling, wurde aufgepäppelt und dann wieder nach Österreich zurückgebracht. „Das wird auch sehr häufig falsch gemacht. Man wildert an der Pflegestelle aus, aber der Vogel muss dorthin zurück, wo er gefunden wurde! Vögel haben Reviere. Sie könnten dort noch ihren Partner haben! Es geht um viel. In den USA ist eine Wandertaube, von der es 2 Milliarden gab, in 10 Jahren ausgestorben. Es zählt wirklich jede Feder!“ NICOLA FÖRG

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