Das Cover des Mutmacher-Buchs von Michele Ufer.
Training als wichtiger Baustein: Michele Ufer bei der Reha nach seinem Schlaganfall. © Foto: Verlag
Extremsport in einer der trockensten Wüsten der Welt: Auf dem Rückflug vom Atacama-Ultramarathon erlitt Michele Ufer (hier beim Zieleinlauf) einen Schlaganfall. © Foto: Verlag
München – Ein Schlaganfall trifft plötzlich und ohne Vorwarnung – wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Ein Blutgefäß im Gehirn verstopft oder platzt, die Sauerstoffversorgung wird unterbrochen, und bereits nach wenigen Minuten beginnen Nervenzellen abzusterben. Die Folgen reichen von Lähmungen über Sprachverlust bis hin zum Koma. In Deutschland trifft es jedes Jahr rund 270 000 Menschen – einer von ihnen war Michele Ufer. Der Sportpsychologe, Mentaltrainer und Extremläufer hat über sein Erlebnis das Buch „Das Unmögliche machen“ geschrieben und erzählt heute am Weltschlaganfalltag, wie er den härtesten Wettkampf seines Lebens, die Reha nach dem Schlaganfall, gemeistert hat.
Schlaganfall durch Riss in der Halsschlagader
2022 befand er sich gerade auf dem Rückflug vom „Atacama Crossing“ in Chile – einem 250 Kilometer langen Ultramarathon durch eine der trockensten Wüsten der Erde, den er in der Vergangenheit schon einmal absolviert hatte. „Ich hatte meinen Rennbericht fertig geschrieben“, erinnert er sich. „Und kurz darauf passierte es – völlig ohne Vorwarnung.“ Plötzlich kann er seinen Körper nicht mehr kontrollieren. „Ich konnte mich nicht mehr richtig bewegen, nicht mehr sprechen. Ich wusste sofort, dass das kein Kreislaufproblem war. Es war etwas anderes, etwas Größeres.“ Später erfuhr er, dass die Ursache eine Karotis-Dissektion war – also ein Einriss in der Halsschlagader, der ein Blutgerinnsel verursachte und die Blutzufuhr zu seinem Gehirn blockierte.
Vom Wüstenlauf in den Ambulanzjet
Ein paar Tage nach dem Rennen flog Ufer mit einem normalen Linienflug nach Hause. Kurz vor dem Zwischenstopp in Paris kam es zu dem Riss und in der Folge zum Schlaganfall. In der französischen Hauptstadt wurde er in ein Krankenhaus gebracht. Seine Partnerin organisierte von dort gemeinsam mit einem deutschen Arzt einen Ambulanzflug – eine Rettung in letzter Minute. Der Mediziner hatte zuvor die Befunde geprüft, mit den Ärzten in Paris gesprochen und wegen Unsicherheiten in der Behandlung dringend zum Flug nach Deutschland geraten. „Im Innern des Jets hielt meine Partnerin mit der Ärztin abwechselnd die Infusion. Ich spürte, wie sie beide jede Sekunde auf mich achteten“, erzählt der 53-Jährige. In Duisburg angekommen, begann sein härtester Wettkampf: der Weg zurück ins Leben.
Der Schlaganfall hatte nichts mit der sportlichen Belastung bei dem Wüsten-Rennen zu tun – er hätte jeden treffen können. Doch Ufers Fitness half ihm zu überleben. Jetzt wurde er selbst zum Schüler seiner eigenen Methoden. „#ComebackStronger war mein Mantra“, sagt der Sportpsychologe. „Ich sammelte keine Kilometer, sondern Fortschritte – winzige Schritte, die über meine Zukunft entschieden.“ Anfangs kamen die Worte durcheinander, das Gehen fiel schwer. Doch statt zu verzweifeln, sprach Ufer liebevoll mit sich selbst: „Ich liebe meinen Körper. Er hat mich durch die Wüste getragen – und er kann sich regenerieren.“ Mit, Visualisierungen und seiner mentalen Disziplin kämpfte er sich zurück.
„Gartenrunden“ als wertvolle Medizin
Michele Ufer hat nach seinem Schlaganfall tatsächlich wieder mit dem Laufen begonnen – zunächst in kleinen „Gartenrunden“. Für ihn war das nicht nur ein symbolischer Neustart, sondern eine bewusste Strategie: Er weiß, dass Bewegung entscheidend ist, um das Gehirn zu trainieren und neue Entwicklungsimpulse zu setzen. Deshalb ging er konsequent, selbst wenn er von den Reha-Sitzungen völlig erschöpft war, immer wieder hinaus in den Garten und drehte seine Runden. Heute, fast drei Jahre nach dem Schlaganfall, absolviert Michele Ufer wieder mehrstündige Trainingseinheiten. Er hält Vorträge, schreibt Bücher, trainiert Teams und inspiriert Menschen, die herausfordernde Ziele verfolgen und schwierige Situation oder Krisen besser meistern wollen. „Ich wollte nicht nur zurückkommen“, sagt er, „ich wollte stärker zurückkommen.“