„Altwerden ist kein Grund für Angst“

von Redaktion

Warum der renommierte Arzt zu Gelassenheit und zu mehr Lebensfreude rät

Prof. Dietrich Grönemeyer rät dazu, im Ruhestand beispielsweise eine neue Sprache zu lernen. © Laura Möllemann

München – Er ist Arzt, Autor und einer der bekanntesten Gesundheitsaufklärer Deutschlands. In seinem neuen Buch „Natürlich altern“ plädiert Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer für einen entspannteren, aber bewussteren Umgang mit dem Älterwerden. Wir haben nachgefragt, wie er sich das genau vorstellt.

Sie fordern, dass wir das Altern als natürlichen Prozess annehmen. Warum tun sich so viele Menschen trotzdem so schwer damit?

Der Hype um das Modewort Longevity ist für viele nicht nachvollziehbar, wirkt technisch und abstoßend. Die Idee, u.a. von der Optimierung bis zum letzten Blutwert, geht für mich in die falsche Richtung. Es kommt vielmehr darauf an, wie wir leben, mit wem und mit welchem Blick auf die Welt. Wie viel Güte, Klarheit, Liebe und Humor wir einbringen.

Wie gehen Sie persönlich mit den sichtbaren Zeichen des Alters um – mit grauen Haaren, Falten, langsamerer Regeneration?

Altern ist kein Projekt, das man managen muss. Auch wenn die Haut an manchen Stellen schlappmacht, die Gelenke mal knirschen oder die Regeneration nach sportlichen Aktivitäten länger dauert. Altern ist ein Lebensabschnitt, den man gestalten darf. Mit etwas Disziplin, ja – aber vor allem mit Großzügigkeit. Gegenüber sich selbst. Und anderen. Dazu zählen für mich durchaus auch Genussmomente wie mal ein leckeres Glas Rotwein oder ein Stück Kuchen.

Viele Menschen über 60 sind medizinisch bestens versorgt, fühlen sich aber innerlich leer oder überflüssig. Was kann man dagegen tun?

Sich zum Beispiel nach Rentenbeginn mit nichts mehr zu beschäftigen, das lässt uns rasant altern. Warum? Unser Gehirn braucht ständig Herausforderungen, je komplexer, desto besser. Sprachen lernen, reisen, schreiben, lesen, Musik machen, sich bewegen, Freunde und Bekannte treffen, alles das und vieles mehr kann helfen. Vor allem aber, neugierig sein, raus aus dem alten Trott kommen, kurz gesagt den Arsch hochkriegen.

Sie sprechen oft von einer „Medizin der Mitte“. Wie könnte unser Gesundheitssystem das Altern künftig besser begleiten?

Ganz einfach, indem frühzeitig mehr Wert auf Prävention gelegt wird und der alternde Mensch in seiner Ganzheit betrachtet wird. Als ein Individuum aus Körper, Geist und Seele. High-Tech-Medizin und Naturheilkunde sowie die verschiedenen Heilsysteme der Weltmedizin, wie etwa Ayurveda oder TCM, müssen viel stärker zusammen gedacht werden. Das bringt Leben in unsere Jahre und lässt uns wohlbefindlich altern.

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