Medizin des Alltags: Was uns gesund macht

von Redaktion

In seinem neuen Buch räumt Dr. Christoph Specht mit gängigen Missverständnissen auf

Das neue Buch von Dr. Christoph Specht. © Kösel Verlag

München – Das Gesundheitssystem am Limit, volle Wartezimmer, Ärztemangel, steigende Beiträge und gleichzeitig fühlen sich viele Menschen kränker als je zuvor. In seinem neuen Buch „Gesundheit gibt es nicht beim Arzt!“ (Kösel Verlag, 22 Euro) räumt der bekannte Arzt und Medizinexperte Dr. Christoph Specht mit Missverständnissen auf, die sich tief in unser Denken eingebrannt haben. Seine Botschaft ist eindeutig: Gesundheit ist kein Produkt, das man konsumiert, sondern ein Prozess, den man selbst gestalten muss.

Dr. Christoph Specht findet deutliche Worte, wenn es um unseren Umgang mit Gesundheit geht. Für ihn ist der zentrale Irrtum unserer Zeit schnell benannt: „Gesundheit gibt es nicht beim Arzt und man kann sie auch nicht in der Tüte von der Apotheke nach Hause tragen.“ Was er damit meint? Wir leben in einem System, das immer besser Krankheiten erkennt und behandelt und gleichzeitig fühlen sich Menschen zunehmend verunsichert, abhängig und überfordert. Dr. Specht beschreibt Gesundheit nicht als stabilen Zustand, sondern als eine Art Bewegung. Sie vergeht nicht einfach, sie entsteht immer wieder neu. „Gesundheit muss der Krankheit nicht immer mehr Raum geben“, sagt er. Ein Satz, der viel größer ist, als er klingt. Denn er rückt die Verantwortung dorthin, wo sie hingehört: zu uns selbst.

Ein Erlebnis aus Afrika hat ihn das besonders gelehrt. Dort traf er einen Mann, schwer gehbehindert, eine alte Holzkrücke unter dem Arm, jeder Schritt eine Qual. Specht bot Hilfe an – doch der Mann sagte schlicht: „Danke, es geht mir gut. Ich schaffe das.“ Für Specht war das kein trotziges Überspielen, sondern ein völlig anderer Umgang mit der eigenen Situation: nicht defizitorientiert, sondern selbstbestimmt. Das ist für ihn bis heute eine Art Formel dafür, wie Gesundheit überhaupt entstehen kann.

Dass wir uns trotz moderner Medizin kränker fühlen, hat aus seiner Sicht viel mit den Erwartungen zu tun. „Unsere üblichen Vorstellungen von gesund und krank haben uns in eine Sackgasse manövriert“, sagt er. Viele Menschen haben die innere Überzeugung abgegeben, Einfluss auf ihren Körper zu haben. Stattdessen hoffen sie, dass Diagnostik, Therapien oder Versicherungen die Probleme lösen. Specht erzählt von einem Mann, der nach einer Diabetesdiagnose nur eines sagte: „Sie machen mich gesund!“ Es ist genau diese Haltung, die laut Specht verhindert, dass Gesundheit überhaupt entstehen kann.

Dabei ist der Mechanismus, der uns stärkt, oft erstaunlich einfach. Der Arzt nennt drei Faktoren, die für ein stabiles Lebensgefühl entscheidend sind: Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit. „Wenn Sie sich diese drei Faktoren merken wollen, denken Sie an V – H – S: Verstehen – Handhaben – Sinn.“ Menschen, die ihr Leben als stimmig empfinden, auch mit Krankheit, Stress oder Rückschlägen, bleiben nachweislich widerstandsfähiger. Wie mächtig diese innere Haltung ist, zeige die Forschung. In Experimenten kollabierte das Immunsystem von Versuchstieren allein durch negative Erwartung. „Gestorben durch negative Gedanken, könnte man etwas salopp formulieren.“ Aber auch im positiven Sinne kann Überzeugung körperliche Prozesse beeinflussen: Entzündungen, Infektanfälligkeit, Stresswerte.

Christoph Specht fasst es in einem Satz zusammen, der wie ein Leitmotiv seines Denkens wirkt: „Haltung, Glaube, Überzeugung: Es ist erstaunlich, was dieses innere Raster beeinflusst.“ Für ihn ist klar: Gesundheit ist kein Geschenk und kein Zustand, den man verwalten lassen kann. Sie ist ein Prozess, der täglich entsteht durch Entscheidungen, Überzeugungen und durch das, was wir über uns selbst glauben. Und wer sich von dieser Idee angesprochen fühlt, hält mit Spechts neuem Buch nicht nur einen Ratgeber in der Hand, sondern eine Einladung, Gesundheit ganz neu zu denken. SUSANNE HÖPPNER

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