Washington – Inzwischen ist die EPA auch in Deutschland bekannt: Das ist die US-Umweltbehörde, die den VW-Abgasskandal ins Rollen brachte. Also keine Behörde, der man einen zu laxen Umgang mit Stickoxiden (NOX) – die in den USA generell als gefährlicher angesehen werden als in Europa – vorwerfen kann. Deshalb sind die Emissionswerte von Dieselfahrzeugen in den USA strenger begrenzt als in Europa, was VW ins Schlingern brachte – und auf die Idee der Schummel-Software.
Eigentlich sollten dann in den USA auch strengere Immissionswerte – das ist das, was aus der Luft auf Menschen einwirkt – gelten als in Europa, wo mancher Experte die Grenzen für zu hoch hält. Doch weit gefehlt: Die USA sind weniger streng.
Es gibt einen Luftqualitätsführer der EPA. In den USA wird die Belastung in Parts per Billion (ppb) gemessen, in Europa in Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Man muss also umrechnen. Wir haben das getan und kamen zu erstaunlichen Ergebnissen (siehe Tabelle). Denn die 50 ppb allein für Stickstoffdioxid, die die EPA in keiner Weise für gesundheitsgefährdend hält, entsprechen 103 Mikrogramm pro Kubikmeter. Das ist zweieinhalbmal so viel, wie die EU erlaubt – unter Berufung auf die Weltgesundheitsorganisation, die diesen Wert empfohlen hatte, weil der Wert nach Untersuchungen zum Teil aus den 1980er- und 1990er-Jahren auf einen hohen Anteil gefährlicherer Schadstoffe in der Luft hinwies.
Die 103 Mikrogramm pro Kubikmeter sind vor allem mehr, als an irgendeinem Straßenrand in Deutschland bisher gemessen wurde. In diesem Zusammenhang erstaunt die unerbittliche Härte und die Tonlage der deutschen Diskussion. Da ist ohne stichhaltigen Beleg von tausenden Toten durch Diesel-Abgase die Rede und vom „Killergas“.
Im Unterschied zu anderen gefährlichen Luftschadstoffen wie Asbeststaub oder Dioxinen sind Stickstoffdioxid, die daraus entstehende Salpetersäure und die entsprechenden Nitrate auch in völlig unbelasteter Umwelt vorhanden. Sie sind sogar Bestandteil der meisten Stoffwechselvorgänge in der Natur. Da wäre es schon sinnvoll, genauer zu wissen, bei welcher Menge aus lebensnotwendig lebensbedrohlich werden kann. Die Dosis macht das Gift. Auch Wasser kann in einer entsprechenden Dosis töten. Aber niemand käme ernsthaft auf die Idee, Trinkwasser zur „Killerflüssigkeit“ zu erklären. Martin Prem