Rom – Wer angesichts von Hitze und Dürre der vergangenen Woche dachte, das Schlimmste sei sicher bald überstanden, irrte. Die Skala rekordverdächtiger Temperaturen scheint in diesem Sommer der Superlative nach oben offen. 40 Grad und mehr verzeichnen die Meteorologen von Bozen bis Catania. Und ein Ende des afrikanischen Hitzehochs namens Luzifer ist nicht absehbar. Was für regenverdrossene Gemüter verlockend klingt, wächst sich für Italien immer mehr zur Katastrophe aus. Von Nord nach Süd brennen die Wälder; der akute Wassermangel bedroht die Land- und Viehwirtschaft, die Ernten verdorren auf den strohtrockenen Feldern. Für Senioren und gesundheitlich belastete Menschen stellt die Hitze eine tödliche Gefahr dar. Die Behörden geben täglich Warnungen für die Städte und Ballungszentren heraus. Wer irgendwie kann, entflieht ans Meer oder in die Berge.
Ungeteilt freuen kann sich über die extreme Sommerhitze nur die Tourismusbranche. Italien steuert, gemessen an den Übernachtungszahlen, auf einen absoluten Rekord zu. Bis Ende August, so die Branchenverbände, seien sämtliche von den Reservierungssystemen erfassten Quartiere an den Küsten restlos ausgebucht. Bei Privatzimmern dürfte es ähnlich aussehen. Wer mit dem Gedanken spielt, spontan nach Süden zu entfliehen, sollte also vorgewarnt sein – ohne Reservierung geht nichts.
Die Rekordbuchungen führen Experten auf zwei Phänomene zurück: Durch die angespannte Lage in der Türkei ist den Veranstaltern ein wichtiges Urlaubsziel weggebrochen. Arabische Länder wie Tunesien oder Ägypten werden wegen der Terrorgefahr gemieden. Davon profitieren vor allem Italien und Spanien, in kleinerem Maßstab auch Griechenland.
Nun ist Italien wahrlich nicht auf den zusätzlichen Touriboom angewiesen, im Gegenteil. Was einerseits die Kassen von Hotellerie und Gastronomie klingeln lässt, führt andererseits zur gnadenlosen Überfüllung. Nicht nur in den großen Kunstmetropolen wie Venedig, Florenz oder in der Hauptstadt Rom zerbricht man sich den Kopf, wie der Massenansturm in verträgliche Bahnen gelenkt werden könne. Die Klagen über die Müllberge auf den schönsten Plätzen der Welt sind nicht neu. Doch mit den Besucherrekorden erreichen auch unerfreuliche Nebenwirkungen neue Dimensionen. Küstenorte wie Alassio und Sestri Levante in Ligurien oder Grado in Venetien diskutieren, den freien Zugang an ihre Strände einzuschränken, um die Umwelt zu schonen.
Die hohe Nachfrage macht sich auch bei den Preisen bemerkbar. Die Verbraucherzentrale in Rom rechnete vor, dass der Strandurlaub 2017 der teuerste aller Zeiten werden könnte. In den Hochburgen schlage allein der Sonnenschirm mit zwei Strandliegen mit durchschnittlich 40 Euro pro Tag zu Buche. Eine Familie mit zwei Kindern koste ein Strandtag mit Verpflegung im Schnitt 150 Euro – Übernachtung nicht eingerechnet.
Urlauber, die jetzt in die Ferien nach Italien aufbrechen, sollten angesichts der Hitzewelle einiges beachten. In vielen Orten ist wegen der Trockenheit das Wasser rationiert und fließt nur stundenweise aus den Leitungen. Man sollte sich genau nach möglichen Einschränkungen erkundigen. Wagenwaschen und Rasensprengen sind fast überall verboten. Auch die Pegel der Binnenseen sind dramatisch gesunken. Der Gardasee verzeichnet mit vier Metern unter Normal den niedrigsten Stand seit Menschengedenken, am Lago d´Iseo und am Comer See sieht es ähnlich aus. Wegen des Sauerstoffmangels in den Gewässern muss mit Badeverboten gerechnet werden.
Wer mit dem Auto unterwegs ist, sollte sich auf kurzfristige Straßensperrungen wegen akuter Wald- und Buschbrände einstellen. Selbst Autobahnen bleiben nicht verschont. Weite Strecken sollte man wegen der mörderischen Temperaturen nachts zurücklegen. Für das Wochenende sowie die Brückentage um Mariä Himmelfahrt sind Dauerstaus auf den Autobahnen und Küstenstraßen vorprogrammiert. Wer all das beachtet und zudem schon ein Quartier am Meer vorgebucht hat, dem ist zumindest eines garantiert: Sonne pur.