München – Irgendwas war da anders auf seinem Platz in der Kabine, das sah Joshua Kimmich sofort, auch wenn das zusätzliche Kleidungsstück sehr, sehr klein war. Aber da weit und breit am zweiten Tag des Audi Cups natürlich kein Philipp Lahm und auch kein Manuel Neuer zu sehen war, machte er sich die ihm zugeteilte Binde halt an den Arm. „Der Trainer hat es nicht angekündigt“, erzählte der Confed-Cup-Sieger hinterher, nach seinem ersten Einsatz als Bayern-Kapitän. Gut, der Einstand hätte besser laufen können als beim 0:2 gegen den SSC Neapel. Aber das Zeichen vom Coach konnte Kimmich auch so deuten.
Nicht der acht Jahre ältere Arturo Vidal war in der aus Jugendspielern, Debütanten und gerade aus dem Urlaub gekommenen Profis bestehenden C-Elf als Spielführer auserwählt worden, sondern er. Zuckerl verteilt man ja am liebsten an diejenigen, denen man viel zutraut, die man bei Laune halten will. Wer also auserkoren wurde, das Erbe von Lahm anzutreten, kann eine kleine Extra-Motivation nur gut gebrauchen. Kimmich bestätigte: „Das ist das, was man als Spieler möchte: Verantwortung übernehmen.“
Am Mittwoch flitzte der 22-Jährige als Mini-Lahm über das Feld. Rechts hinten, das ist nun seine Position, die weiße Binde am Arm tat ihr Übriges. Und überhaupt wirkte Kimmich in dieser Startformation wie derjenige, der das Ruder auch am besten in die Hand nehmen kann. Er gab Anweisungen, versuchte, die uneingespielte Truppe zu lenken. Er hatte den Blick fürs Ganze, während viele andere mit sich selbst beschäftigt waren. Vidal damit, seine fehlende Fitness zu überspielen (klappte kaum); Renato Sanches damit, auf Teufel komm raus an die Leistungen der Asien-Reise anzuknüpfen (klappte auch nur bedingt); und Sebastian Rudy und Niklas Süle damit, in ihren ersten Auftritt im Bayern-Trikot nicht negativ aufzufallen. Das immerhin klappte ganz gut.
Süle lief neben Kimmich, Rudy vor der Abwehr auf, beide agierten souverän. Der namhaft besetzte Napoli-Sturm tat sich häufig schwer, zudem versuchte Süle sich auch im Spielaufbau ein paar Mal erfolgreich. „Es ist schön, endlich wieder einen Ball am Fuß zu haben“, sagte der Ex-Hoffenheimer. Sein Kollege Rudy gab zwar zu, dass das Ergebnis „nicht so war, wie wir uns das erhofft haben“. Aber auch er zeigte beim Debüt eine ordentliche Leistung. Spielverlagerung, Tempowechsel: „Für diesen Stil wurde ich ja auch geholt.“
Wie ungewohnt diese Bayern-Welt noch für die Neuzugänge ist, sah man im Anschluss an die Partie. Rudy zum Beispiel gab in den Katakomben nicht ein oder zwei, sondern bestimmt sechs oder sieben Interviews. Kimmich verabschiedete sich nach ein paar knackigen Aussagen im Rücken seiner neuen Mitspieler. Dort hörte er von Süle einen interessanten Satz: „Was hier abgeht, habe ich jetzt schon gemerkt. Bei Bayern musst du einfach jedes Spiel gewinnen.“ Immerhin das muss er den Neuen nicht mehr beibringen. hlr