Mit Bammel in den August

von Redaktion

Nach der Blamage in München ist der Supercup für die Bayern plötzlich wichtig – denn es kriselt

von hanna raif

München – So viel Gedränge, so viele Kameras – als Außenstehender hätte man am Mittwochabend denken können, dass vor dem Kabinengang in der Allianz Arena gleich bestenfalls ein Fünffachtorschütze Rede und Antwort stehen oder schlimmstenfalls ein Trainerrauswurf zu moderieren sein wird. Beides war nicht der Fall. Zur Erinnerung: Der FC Bayern hatte kurz zuvor das Spiel um Platz drei beim Audi Cup mit 0:2 gegen den SSC Neapel verloren, es gab weder einen Torschützen, noch hat die Niederlage in einem Testkick das Gewicht, einen Coach infrage zu stellen. Aber man erwartete Großes, als Hasan Salihamidzic zum ersten Mal in offizieller Funktion als Sportdirektor vor die Medien trat.

Lang und breit war „Brazzo“ angekündigt worden, sogar der Satz „noch eine Minute“ wurde durch den Gang gerufen. Dann lief er motiviert und federnden Schrittes an den Platz vor der großen Reporter-Traube – und sagte: So gut wie nichts. „Wir freuen uns auf den Supercup. Ich bin zuversichtlich, dass wir ein gutes Spiel machen werden“ – das waren die kernigsten Aussagen, die der 40-Jährige von sich gab. Salihamidzic versuchte krampfhaft, die Sorgen wegzulächeln, die sich nach zuletzt fünf Testspielpleiten und dem blamablen letzten Platz im Audi Cup an anderen Stellen im Klub längst ausgebreitet haben. Dabei hätte es eine bessere Steilvorlage für ein kleines Machtwörtchen vor dem morgen Abend (20.30 Uhr/ZDF und Eurosport) in Dortmund anstehenden ersten Pflichtspiel der Saison gar nicht geben können.

Man muss fair sein und sagen: Der Mann ist noch keine Woche im Amt, noch dazu in einem, das rein fachlich betrachtet vollkommenes Neuland für ihn ist. Aber es fiel eben doch auf, dass Salihamidzic die Geschehnisse der vorhergegangenen beiden Tage anders interpretierte als der Rest des Vereins. Vorstand, Trainer, Spieler – bei allen wirkte das desolate 0:3 gegen Liverpool vom Dienstag noch nach. Woher der Sportdirektor die Zuversicht nimmt, erschließt sich kaum. Denn im Moment fehlt dem FC Bayern nicht nur „das Gleichgewicht“ (Carlo Ancelotti), sondern so gut wie alles, um sich mit größeren Gegnern messen zu können.

James fehlt wohl mehr als vier Wochen

Auch wenn Thomas Müller abwinkte und sagte: „Wir bewerten die Vorbereitung, wenn es los geht“ – Stand heute ist das Urteil eindeutig: Katastrophal! Die Asien-Reise hat sich aus PR-Gründen gelohnt, „wer aber zwölf Tage unterwegs ist, zahlt danach dafür“, sagte Turniersieger Jürgen Klopp. Die Trainingssteuerung musste den Gegebenheiten angepasst werden, effektive und konzentrierte Einheiten gab es bislang zu wenige. Der Auftritt gegen Liverpool war daher laut Mats Hummels „ein bisschen hingespielt und geschaut, was passiert“. Mit dem Ergebnis, dass dieser Weg der falsche ist – und man sich schleunigst etwas anderes überlegen sollte. Am besten bis zum Supercup, ganz sicher aber bis zum Liga-Start in zwei Wochen. „Sonst“, sagte Hummels, „wird es ein schwerer August.“

Dass nun zusätzlich zur fehlenden Balance, mangelnden Abstimmung und erschreckenden Verfassung die Verletztenliste neue prominente Namen führt, erschwert die Aufgabe. Die Ausfallzeit von James wurde mit „mehreren Wochen“ beschrieben, man geht von mindestens vier bis fünf aus. Und auch Thiago wird den Supercup mit einer Bauchmuskelzerrung verpassen. Ob es für Jerome Boateng und Arjen Robben reicht, ist fraglich. Manuel Neuer, der gestern erstmals wieder ein leichtes Torwarttraining absolvierte, bestreitet bis zum 18. August einen Wettlauf gegen die Zeit.

Dem oft belächelten Treffen des Meisters mit dem Pokalsieger kommt nun ganz plötzlich eine andere Bedeutung zu. Für die Bayern geht es darum, nicht schon vor dem Saisonstart in eine erste kleine Krise zu rutschen. „Wir wollen mal wieder ein Ergebnis liefern“, sagte Thomas Müller, der am Dienstag mächtig angefressen war. Karl-Heinz Rummenigge zählte Ancelotti zwar nicht direkt an, platzierte aber bewusst einen Satz wie: „Ich hoffe, dass der Trainer die richtigen Rezepte findet.“

Zu drehende Stellschrauben gibt es genug, um nicht zu sagen: Zu viele. Weil Fitness und Abstimmung in der Kürze der Zeit kaum zu verbessern sind, wird es in Dortmund vor allem um die Einstellung gehen. „Das wird ein unglaublicher Härtetest“, sagte Hummels, und Kimmich versicherte: „Wir wissen ganz genau, dass nicht alles gut ist. Wir wissen aber auch, dass wir besser spielen können.“

Gut wäre es, sonst müsste „Brazzo“ womöglich bald wirklich Fragen zum Trainer beantworten. Da würde nett lächeln wenig helfen.

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