Bayerns zweite Herzkammer

von Redaktion

Neuer Campus offiziell eröffnet – „Antwort auf Transferwahnsinn und Gehaltsexplosionen“

VON ANDREAS WERNER

München – Ab und an, freilich selten, kommt sogar der FC Bayern als das daher, was er nun mal ist: als ein Fußballverein. Gestern etwa unterschied den Rekordmeister im Grunde nichts von jedem Dorfklub, wenn es mal was zu feiern gibt. Eine Blasmusik spielte, der weiß-blaue Himmel wurde gelobt – gut, es kamen Horst Seehofer und Dieter Reiter und als Festredner Bruno Jonas, das ist natürlich Haute Couture. Aber alles in allem ging es bei der offiziellen Einweihung des Campus beschaulich zu. Täuschen lassen darf man sich aber davon nicht: Die Gangart wird sich verschärfen. „Wir haben Steine gebaut, jetzt geht es darum, dass der FC Bayern auch mit den Beinen besser wird“, sagte Uli Hoeneß. Der neue David Alaba soll bald kommen.

Der Österreicher war 2010 das letzte Eigengewächs, das es zu den Profis geschafft hat. Um die Quote rasch anzuheben, haben die Bayern binnen 22 Monaten das 30 Hektar messende Areal aus dem Boden gestampft. Als „zweite Herzkammer“ wurde es gestern betitelt, es ist vier Mal größer als das Gelände an der Säbener Straße. Aktuell sind 26 der 35 Apartments mit Talenten belegt, bei den jungen Kickern bleibt kein Wunsch offen. Neben acht Plätzen für 14 Mannschaften (zehn Junioren-, vier Frauenteams) ist ein Fitnesskomplex inklusive Schwimmbad und Indoor-Laufstrecke untergebracht, es gibt ein 2500 Zuschauer fassendes Stadion und natürlich üppig bestückte Freizeiträume. Ob die Talente da nicht verzogen werden? Hermann Gerland schmunzelt: „Nein, dafür bin ich ja da.“

Der „Tiger“ soll mit Jochen Sauer die Regie führen. Beide haben keine leichte Aufgabe übernommen, denn selbst das modernste Areal garantiert ja noch lange kein neues Supertalent. Allerdings kündigte Hoeneß gestern an, dass der FC Bayern in Zukunft mehr in die Talentförderung investieren wird. Muss er auch, gerade in Zeiten, in denen der internationale Transfermarkt überhitzt. Die Münchner können es sich gar nicht mehr leisten, mitzubieten, und so ist der 70 Millionen Euro teure Campus eine kluge Investition – sofern der Weg konsequent weiter verfolgt wird.

„Vielleicht ist das die Antwort des FC Bayern auf den Transferwahnsinn und die Gehaltsexplosionen“, meinte Hoeneß. Die internationale Konkurrenz habe einen Vorsprung mit ihren Finanziers aus Fernost oder sonstwo, der Campus sei eine Chance, das Hinterherhinken zu kompensieren. Kurioserweise wäre bereits die Entwicklung etwa von nur einem Thomas Müller gleichbedeutend mit der Amortisierung des Komplexes – gesetzten Falles, man würde einen neuen Thomas Müller überhaupt veräußern. Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter setzte alles mit einem Satz in eine anschauliche Relation: Bayerns Campus sei von den Kosten her „nicht einmal ein halber Neymar“. Da wäre es doch gelacht, wenn sich das Projekt nicht auszahlen würde.

Erfolg sei „nicht erkaufbar, er ist schaffbar“, sagte Rainer Koch. Der Vizepräsident des DFB meinte, dass man bereits jetzt die Talente suchen müsse, die Deutschland bei der WM 2030 vertreten werden: „Wir wissen nicht, wer da spielen wird – aber eines wissen wir: Diese Spieler sind bereits geboren. Jetzt müssen wir sie suchen und fördern.“

Die Bayern schicken ihre Scouts weltweit aus, so Hoeneß. Letztlich ginge es nicht nur darum, Talente für die eigene Mannschaft zu entwickeln. In der heutigen Zeit sei es schwer, sich bei Bayerns Profis zu etablieren, deshalb sei es auch ein Erfolg, „wenn wir unser ,Mia san mia’ in die Welt hinaustragen“, sagte der Präsident. „Ich wünsche mir Spieler, die eines Tages stolz sind, dass sie hier ausgebildet wurden und die stolz die Farben des FC Bayern vertreten.“

Die Gangart wird sich verschärfen, aber eines sei auch klar, so Hoeneß: „Wenn wir in den nächsten drei Jahren keinen Spieler für die Profis rausholen, reißen wir nicht alles wieder ab.“ Dafür waren sie zu teuer, die Steine, die Bayern Beine machen sollen.

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