Briefwahl immer beliebter

Jeder dritte Bayer wählt per Post

von Redaktion

Von Ira Schaible und Sebastian Horsch

München – Manche haben sie schon, manche bekommen sie erst noch. In diesen und den kommenden Tagen flattern die Benachrichtigungen zur Bundestagswahl am 24. September ein. Spätestens bis zum 3. September müssen sie alle in den bayerischen Briefkästen liegen. Wer sie hat, kann damit auch Briefwahlunterlagen beantragen – und das tun zunehmend mehr Bürger. Das Wählen per Post wird immer beliebter.

Bei der Bundestagswahl 2013 machte deutschlandweit fast jeder Vierte von dieser Möglichkeit Gebrauch (24,3 Prozent) – so viele wie nie zuvor. In Bayern waren es sogar 35,3 Prozent der Wähler. Damit ist der Freistaat Spitzenreiter, gefolgt von Hamburg (30,5 Prozent), Berlin und Rheinland-Pfalz (beide 28,0 Prozent). Schlusslicht waren die Wähler in Sachsen-Anhalt mit 15,3 Prozent. Vier Jahre vorher (2009) hatte bundesweit gut jeder Fünfte (21,4 Prozent/29,1 Prozent in Bayern) sein Kreuz per Brief gemacht.

Der Wahlforscher Rüdiger Schmitt-Beck sieht in dem Trend vor allem „einen Ausdruck der Individualisierung der Gesellschaft“. Die Briefwahl verschaffe den Menschen einen Autonomie-Spielraum, sagt der Wissenschaftler von der Universität Mannheim. „Wenn man den Wahlakt effizienter abwickeln kann, indem man irgendwann einfach zu Hause schnell sein Kreuz macht und das dann in den Briefkasten wirft, dann hat man schon mal Autonomie gewonnen für den Wahl-Sonntag.“ Diese Selbstbestimmung werde in der Gesellschaft immer wichtiger, gerade bei urbanen und hochgebildeten Gruppen sowie bei Menschen mit vielen beruflichen Möglichkeiten.

Die Menschen würden bequemer, flexibler und mobiler, sagt auch Klaus Pötzsch, der Sprecher des Bundeswahlleiters. Manche wollten sich den Sonntag für Unternehmungen frei halten, andere müssten arbeiten. „Ende September sind viele auch noch im Urlaub.“ 2013 fand die Bundestagswahl – wie 2017 – im September statt. Der Zuwachs bei den letzten Wahlen lasse sich aber auch damit erklären, dass die Briefwahl 2009 „quasi freigegeben wurde“. Vorher musste man einen triftigen Grund anführen, erklärt Pötzsch.

Komfort ist auch nach Einschätzung von Wahlforscher Schmitt-Beck ein Motiv für die Briefwahl. „Sie wird eher von Leuten gemacht, denen Bequemlichkeit etwas bedeutet, zum Beispiel aufgrund körperlicher Gebrechlichkeit.“ Damit dürfte der Anteil der Briefwähler in der alternden Gesellschaft weiter steigen. „Andererseits ist es für viele ältere Menschen auch ein Event, wählen zu gehen“, sagt Pötzsch.

Was unterscheidet Briefwähler noch von Urnenwählern? Sie lebten eher in der Stadt als auf dem Land und seien eher höher gebildet, fasst Schmitt-Beck eine Analyse der Wahl von 2013 zusammen. Klar ist zudem, die meisten Briefwähler gehören nicht zu den Kurzentschlossenen. „Meistens wählen die per Briefwahl, die genau wissen, was sie wählen wollen“, sagt Pötzsch. Sind es also vor allem die Stammwähler? Darüber lasse sich nur spekulieren, sagt Wahlforscher Schmitt-Beck. „Diejenigen, die sich früher entscheiden, sind aber typischerweise parteigebundene Wähler.“

Auf ihren Wahlunterlagen finden bayerische Briefwähler neben den Wahlkreisbewerbern, die über die Erststimme gewählt werden, 21 Landeslisten zwischen denen sie sich mit ihrer Zweitstimme entscheiden. Darunter sind neben denen der bekannten Parteien beispielsweise auch die Listen der V-Partei³ für Veränderung, Vegetarier und Veganer oder der Partei für Gesundheitsforschung.

Doch welche Parteien profitieren von der Briefwahl? Der Zweitstimmenanteil der Briefwähler von CDU/CSU, FDP und Grünen lag 2013 leicht über dem der Urnenwähler dieser Parteien. Bei SPD und der Linken war es umgekehrt. Der Unterschied betrug bei den Unionsparteien, der SPD und den Liberalen je 1,8 Prozentpunkte, bei den Grünen waren es 2,1. Am größten war die Differenz bei den Wählern der Linken mit 2,8 Prozentpunkten.

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