Frankfurt – Armin Obert und sein elfköpfiges Team wirken im Hintergrund. Und doch geht ohne sie in Deutschland kein Passagier- und Fracht-Flugzeug in die Luft. Obert ist der nationale Flughafen-Koordinator in Deutschland und Herr über die Slots, die Zeitnischen für Starts und Landungen der Jets an den deutschen Flughäfen. Von seinem Büro am Frankfurter Flughafen aus ist Obert Herr über 16 deutsche Flughäfen und jährlich zwei Millionen Starts und Landungen von etwa 300 Airlines.
Zwei Mal im Jahr, für den Sommer- und Winterflugplan wird darüber entschieden. Dies ist wichtig vor allem für die Flughäfen, die mit Kapazitätsengpässen ringen, also für Tegel und Schönefeld in Berlin, für Düsseldorf, Frankfurt, München und Stuttgart. Slots können in Europa nicht gehandelt oder einfach ge- und verkauft werden, die Vergabe obliegt dem Flughafen-Koordinator. Ausnahmen: Innerhalb eines Konzerns können Slots frei übertragen werden, also etwa von Lufthansa an die Konzerntöchter Swiss, Austrian und Eurowings und umgekehrt. Oder eine Fluggesellschaft wird ganz oder in Teilen, also Maschinen samt Personal, übernommen. Damit gehen auch die damit verbundenen Slots an den Käufer über – wie jetzt möglicherweise von der insolventen Airberlin an Lufthansa, Easyjet oder andere Gesellschaften.
Grundlage für Obert und sein Team ist die Verordnung Nr. 95/93 des europäischen Rates vom 18. Januar 1993 über „gemeinsame Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen in der Gemeinschaft“, die zuletzt 2004 überarbeitet wurde. Zum Beispiel mit Blick auf Deutschlands größten Flughafen in Frankfurt: 2016 gab es dort im Schnitt pro Tag 1268 Starts und Landungen, bei einem täglichen Flugbetrieb von 18 Stunden startete und landete nach Angaben des Flughafenbetreibers Fraport rechnerisch alle 51 Sekunden ein Flugzeug. Im Schnitt ergibt das pro Stunde rund 71 Flugbewegungen, in den von den Airlines begehrten Spitzenzeiten morgens und abends aber auch deutlich mehr.
Wie viele Slots Obert an den jeweiligen Flughafen vergeben kann, entscheidet er nicht allein. Ein Ausschuss mit Experten der Flughafenbetreiber, der Flugsicherung, der Fluggesellschaften sowie von Verbänden und Behörden empfiehlt einen Eckwert für die Zahl möglicher Starts und Landungen pro Stunde am jeweiligen Airport. In Frankfurt etwa legen dann Bund und das hessische Verkehrsministerium letztlich die Maximal-Anzahl fest, die Obert verteilen kann.
Natürlich werden die Slots nicht zwei Mal im Jahr komplett neu vergeben. Eine zentrale Größe ist das sogenannte Großvaterrecht. Airlines, die in der Vorsaison einen Slot zu mindestens 80 Prozent genutzt haben, können ihn weiter nutzen. Ist das nicht der Fall, gehen sie zurück in den Pool und werden neu vergeben. Dabei müssen zur Hälfte Airlines zum Zuge kommen, die bislang den jeweiligen Flughafen nicht genutzt haben. Das kam zuletzt Ryanair in Frankfurt zugute.
National ist das Verfahren im weltumspannenden Luftverkehr nicht zu stemmen. Auf internationalen Konferenzen stimmen sich deshalb rund 100 Koordinatoren für weltweit 250 Flughäfen in einem aufwendigen Prozess über die Starts und Landungen ab. Auch mit diesen Konferenzen ist es aber nicht getan: Werden Slots von größeren Maschinen genutzt, kann das zu Änderungen führen, weil der Start- und Landeabstand zu nachfolgenden Jets größer sein muss. Auch Krisen erfordern den Koordinator, wie etwa der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine. Sie darf derzeit von Passagier- und Frachtmaschinen nicht überflogen werden, was wiederum zu längeren Flugzeiten führt.
Oberts Job ist vor allem dann nicht einfach, wenn es mehr Bewerber als freie Slots gibt. Schließlich soll er fair und diskriminierungsfrei entscheiden. Mit Geld und höheren Geboten kommen die Airlines nicht zum Zug. Pro Slot zahlen sie derzeit an den Koordinator eine Verwaltungsgebühr von 105 Euro. Finanziert werden er und sein Team aber grundsätzlich durch Beiträge der Flughäfen und der Fluggesellschaften.
Immer wieder werden Slot-Auktionen, Verlosungen oder auch der Slothandel gefordert. Bislang vergeblich. Nach Angaben der Luftfahrt-Expertin Sabine Rasch ist letzteres in anderen Ländern wie etwa den USA allerdings schon üblich. „Begehrte Slots erzielen in den USA Preise von mehreren Millionen Dollar“, weiß sie.