Mitgefühl, Skrupel, ein Funken Respekt vor Trauernden? Fehlanzeige. Betrüger nehmen meist die Schwächsten ins Visier – ein 49-jähriger Münchner machte dabei nicht einmal vor Friedhofsbesuchern halt. Mindestens 224 Mal bestahl er ältere Damen, während diese mit der Pflege von Gräbern beschäftigt waren. Am Mittwoch musste sich der Mann vor Gericht verantworten. Das Urteil: drei Jahre und drei Monate Haft.
Zehn Jahre lang schlich der Täter immer wieder auf Friedhöfen im Münchner Osten herum, um Ausschau nach potenziellen Opfern zu halten. Sobald eine ältere Dame ein Grab mit frischen Blumen dekorierte, ergriff er die Gelegenheit – und ihre Handtasche. Seine Beute insgesamt: mehrere Zehntausend Euro.
Im August vergangenen Jahres fasste die Polizei den dreisten Friedhofsdieb schließlich. Verschiedene Bilder aus Überwachungskameras zeigten, wie der Mann mit den gestohlenen EC-Karten seiner Opfer Geld abhob. Mehrere Wochen lang überwachten Polizisten daraufhin den Ostfriedhof, um den Täter auf frischer Tat zu ertappen. Dann ein Treffer am 23. August – als die Polizei den Verdächtigen stellte, gestand der Münchner sofort, dass er seinen kompletten Lebensunterhalt durch Friedhofs-Diebstähle finanziert hatte. Seitdem sitzt er in Haft.
Er ist aber nicht der Einzige. Regelmäßig berichten Friedhofsbesucher davon, dass Blumen und Grabdekorationen gestohlen werden. Im August vergangenen Jahres etwa wandte sich eine trauernde Mutter an unsere Zeitung, weil jemand immer wieder die Geschenke stahl, die sie ihrem Sohn ans Grab legte. Und im Jahr davor meldeten 60 Betroffene, dass ihnen wertvolle Grablaternen auf dem Friedhof in Riem gestohlen wurden. Und auch das Referat für Gesundheit und Umwelt warnt: „In letzter Zeit wurden Besucherinnen und Besucher in den Friedhöfen von freundlich auftretenden Menschen angesprochen“, heißt es in einem Aushang. „Durch die oft seltsamen und mitleiderregenden Geschichten fühlten sich gutgläubige Besucher genötigt, freiwillig Geld zu geben.“
„Da bekommt man wirklich Angst“, sagt Helga Bayerstadler. Die 72-Jährige wohnt direkt am Ostfriedhof und geht regelmäßig dorthin, um das Grab ihrer Eltern zu pflegen. „Seitdem ich weiß, dass hier Diebe unterwegs sind, behalte ich meine Tasche immer im Blick“, meint sie. „Vorsichtig bin ich vor allem, sobald es dunkel wird. Im Winter halte ich mich deshalb schon nachmittags vom Friedhof fern.“ Auch andere Besucher des Ostfriedhofs bestätigen, dass sie nicht mehr in Ruhe trauern und die Gräber pflegen könnten, ohne ständig auf ihre Wertgegenstände aufzupassen.