Eddie Van Halen gilt als Gitarren-Wunderkind, noch bevor die Welt 1978 die Debütplatte seiner Band „Van Halen“ hören kann. In der Branche kursieren schon zuvor Bänder, die zum Mythos werden. Der damals 22-Jährige entlockt dem Instrument da bislang ungehörte Töne und das in einem aberwitzigen Tempo, das viele Experten an technische Tricksereien glauben lässt. Das Album wird zum weltweiten Sensationserfolg und Van Halen zu Gitarren-Idol einer neuen Generation.
Über die Manipulationsvorwürfe kann Van Halen nur müde lächeln. Das schlichte Geheimnis seiner explosiven Spieltechnik: Er übe von früher Jugend an jeden Tag mindestens sechs Stunden, meistens mehr. Und außerdem verstehe er die zwölf zur Verfügung stehenden Töne als Aufforderung zum Experimentieren und nicht etwa als Begrenzung. Van Halen entwickelt für sich vor allem das „Tapping“ weiter: Statt eine Saite zu zupfen, tippt er sie nur an, das ermöglicht ein höheres Spieltempo, erfordert aber auch immense Präzision und Sicherheit beim Greifen der Akkorde mit der linken Hand.
Der harte Klang, die hämmernden Harmonien, die Van Halen auf der Platte präsentieren, sind gerade in und ein willkommenes Gegenangebot zu Disco ebenso wie zum handwerklich bewusst dilettantischen Punk. Van Halen und seine Kumpane wissen, was sie tun, und sie orientieren sich an älteren Meistern wie Jimi Hendrix (Van Halens persönlicher Gitarrengott) oder Jimmy Page. Nur eben mit einem Klangbild, das damals als moderner empfunden wird und einem gnadenlos marschierenden Vorwärtsdrall – Van Halen ist als einziger Gitarrist des Quartetts nicht nur für die spektakulären Soli zuständig, sondern auch für den Rhythmus, das eigentliche Herzstück des Gitarrenrock. Das, wie immer beim Hardrock, stockkonservative Grundrezept ihrer Musik behalten Van Halen bei und etablieren sich nebenbei als sagenumwobene Liveband, denn entgegen aller Gerüchte spielt Eddie Van Halen diese völlig irren Gitarrenläufe natürlich ganz ohne Tricks auch live.
Auf Schulhöfen wird wild debattiert, wer der Allergrößte ist: Angus Young, Ted Nugent oder Eddie Van Halen – einig ist man sich über verschiedene Geschmäcker hinweg jedoch immer darin, dass dieser Van Halen ein Platz im Gitarren-Olymp sicher ist.
Van Halen selbst nimmt sich von Anfang an gerne raus aus dem Rock-Gegockel. Für die Show haben Van Halen den begnadeten Entertainer und Sänger David Lee Roth. Van Halen kann schon mit dem Begriff des Rockstars nicht viel anfangen. Die würden kommen und gehen, sagt er gerne. Musiker hingegen würden bis zu ihrem Tod spielen und er sei Musiker.
Das ist nicht nur so dahin gesagt. Van Halen, in den Niederlanden als Sohn eines Profimusikers geboren, versteht Musikmachen immer als Profession, der man ernsthaft nachgehen muss. Sein erstes Instrument ist das Klavier, erst als seine Familie in die USA auswandert, infiziert sich Van Halen als Siebenjähriger mit dem Rockvirus. Zuerst widmet er sich dem Schlagzeug, danach erst der Gitarre, das erklärt vielleicht den stark an Rhythmus orientierten Stil. 1983 gelingt Van Halen dann etwas Epochales: Mit seinem vogelwilden, magnetischen Solo in Michael Jacksons „Beat it“ reißt er beiläufig Genre-Grenzen nieder. Heute kaum vorstellbar, hielt man in (weißen) Rockkreisen noch Anfang der 80er eisern daran fest, dass „schwarze“ Musik nichts für ihre Ohren sein könne. Van Halen und Jackson zeigen mit ihrer kongenialen Kooperation, dass das Unfug ist. Im Jahr darauf gelingt Van Halen mit der LP „1984“ ihr größter Erfolg, gleichzeitig sind Fans der ersten Stunde enttäuscht. Der Sound sei zu kommerziell geraten. An Van Halen perlt das ab – seine Band bleibt erfolgreich, auch als Sänger David Lee Roth sich zwischenzeitlich empfiehlt. Van Halen macht einfach weiter gewissenhaft Musik und die Tatsache, dass die Platten sich über einen Zeitraum von über 30 Jahren immer gut verkaufen, bestärkt ihn in seinem Ansatz. Über 65 Millionen Tonträger gehen insgesamt über den Ladentisch.
Van Halens Stil beeinflusst Generationen von Gitarristen, aber so lässig und gleichzeitig fokussiert spielen nur wenige andere. Van Halen tut bei seinen Soli niemals so, als würde die Last von tausend Sonnen auf seinen Schultern ruhen – für ein kurzes Grinsen ist immer Zeit. Abseits der Bühne glaubt er auch viele Jahre an langes Feiern, was seine Gesundheit nachhaltig ruiniert. Nachdem er jahrelang mit Krebs gerungen hat, ist er nun mit nur 65 Jahren gestorben. Kein geringer als Paul McCartney hat einmal so schön gesagt: „Van Halen trifft fast immer den richtigen Ton“. Schöner kann man es nicht sagen.