Diese Personalie sollte der ARD zu denken geben: Mit „Tagesthemen“-Moderatorin Pinar Atalay (43) verabschiedet sich wenige Wochen nach „Tagesschau“-Sprecherin Linda Zervakis (45) die zweite TV-Journalistin vom Ersten, um bei den Privaten einen Neuanfang zu wagen. Atalay, das verkündete RTL am Dienstag überraschend in einer Pressekonferenz, werde den Ausbau der Informations- und Nachrichtenangebote des Kölner Senders in zentraler Rolle mitgestalten.
„Sie ist eine Topjournalistin mit Haltung und großer Ausstrahlung. Ein Familienmensch mit einem spannenden Lebensweg, warmherzig und neugierig“, stellte Stephan Schmitter, Geschäftsführer von RTL News, seinen Neuzugang vor. Gemeinsam mit RTL-Urgestein Peter Kloeppel (62) und dem pensionierten ARD-Kollegen Jan Hofer (69) soll Atalay künftig Nachrichtenformate, Spezialsendungen und Themenabende gestalten. Ein Wechsel, den die Wahlhamburgerin mit den Worten kommentiert, dass sie sich „freue, an der Stärkung des journalistischen Profils von RTL teilhaben zu dürfen“.
Kein Wort über ihren alten Arbeitgeber, dem sie nach sieben Jahren den Rücken kehrt. Und auch bei ihrem Heimatsender NDR, der mit ARD Aktuell die Nachrichten im Ersten verantwortet, gibt man sich schmallippig. „Das ,Tagesthemen’-Moderationsteam mit Caren Miosga und Ingo Zamperoni wurde durch Pinar Atalay journalistisch wie menschlich bereichert. Wir wünschen ihr alles Gute“, lässt sich ARD-Chefredakteur Marcus Bornheim auf Anfrage unserer Zeitung zitieren.
Doch wie kommt es zum Ausverkauf der ARD? Warum überlässt die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, die deutschlandweit wohl die größte Nachrichtenkompetenz besitzt, ihre eigenen Leute der Konkurrenz so billig? Darüber lässt sich freilich nur spekulieren: Wenn TV-Journalistinnen wie Linda Zervakis, die bei Pro Sieben eine neue Heimat gefunden hat, und Pinar Atalay ihr langjähriges Mutterschiff verlassen, um auf kleineren Kuttern anzuheuern, dann vermutlich, weil es intern an Perspektiven fehlt. Es scheint, dass die private Konkurrenz den ARD-Kolleginnen mehr zutraut als der vormals eigene Sender: Zervakis durfte zum Einstand in München gleich mal ein Interview mit SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz führen (wenn auch quotenmäßig nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit). Und auch für Pinar Atalay steht die erste große Herausforderung bei RTL schon fest: Am 29. August wird sie gemeinsam mit Peter Kloeppel das Kanzlerkandidatengespräch zwischen Armin Laschet (CDU), Annalena Baerbock (Grüne) und Olaf Scholz (SPD) moderieren.