Wasserburg – Ein Schubertabend zum Beginn der Seminarwoche, dem alljährlichen „Wasserburger Klaviersommer“ – war das nicht ein ganz besonderer Anlass, die jungen Musiker auf eine Musik abseits eines wirkungsvollen und etwa dankbareren Virtuosentums einzustimmen? Schubert bietet auch technische Hürden, die Virtuosität als selbstverständliche Basis erfordern, aber er fordert mehr: Der Spieler muss sich Zeit gönnen, Zeit für die „himmlischen Längen“, Zeit für Verzögerungen, um danach schnell wieder ins Tempo zu finden und immer das Liedgemäße im Ohr zu behalten, auch bei Ausbrüchen, welche die seelischen Tiefen dieser Musik kennzeichnen. Andrea Lucchesini hatte im Festsaal des Inn-Salzach-Klinikums diese Ruhe für ein schlüssiges Schubertspiel, war der richtige Pianist für einen solchen Abend. Dies zeigte sich schon bald nach den ersten Takten des großen c-Moll-Impromptus. Die vier Impromptus des ersten Teils des Konzerts eigneten sich sehr zum Einstimmen auf die große A-Dur-Sonate nach der Pause: Beim Stück in As-Dur mögen Schüler Freude an erzielter Geläufigkeit bekommen, der Profi dieses Abends wusste da Wesentlicheres zu vermitteln. Beim Stück in Ges-Dur erfordert ein solch inniges Hinabsteigen in ein Gewoge der gebrochenen Akkorde sowieso den erfahrenen Musiker, um die Spannung zu halten. Gibt es nun einen ausgesprochenen Schubertstil, eine einzige Weise, die große sonnendurchflutete A-Dur-Sonate zu spielen? Was oben über Schubert gesagt wurde, trifft gerade hier in besonderer Weise zu. Bei Lucchesinis Aufführung aber wurde man gewahr: Dies Werk kann man überhaupt nicht mehr anders, nicht wahrhaftiger aufführen.
Die Merkmale für diese Sonate: Sie enthält Schroffheiten – man denke an die brutalen Ausbrüche im zweiten Satz, an die Härte in der Durchführung des Rondos. Doch immer, rechtzeitig genug, offenbart sich in dem Werk das Lied, für die linke Hand, für die Rechte, im minutiösen Abweichen vom Gewohnten, vom Erwarteten.
Lucchesini behielt in diesem Kosmos seine Spannung bis zuletzt, wo die Längen sich hinziehen in himmlischen Arpeggien. Nie wurde dies Werk etwa langweilig, nie Schuberts Melodienflut ins Niedliche herabgemindert. Der Pianist hatte die Größe Schuberts offenbart.
Dass sich bei Lucchesini die in der Sonate aufgestaute Spannung bei der Zugabe im virtuosen Glanz des Chopin-Scherzos entladen musste, war nachzuempfinden. Solcher Gegensatz konnte jedoch den nachhaltigen Eindruck von Schuberts Werk kaum verwischen. Am Ende gab es noch ein Zuckerl aus italienischer Hand: Auch ein Scarlatti wusste in seinen Miniaturen virtuos zu brillieren.