„Habe/r/kasten Bier“

von Redaktion

Schlagfertig, ungeniert, energiegeladen und mit einer gewaltigen Soulstimme: Das Frauenduo „Suchtpotenzial“ im Haberkasten

Mühldorf – „Wir sind für den Kindergarten zu versaut, zu fett fürs Ballett, für Comedy nicht lustig genug und fürs politische Kabarett zu banal!“ Mit dieser Anmoderation stellen sich die Musikerinnen Ariane Müller aus Ulm und Julia Gámez Martin aus Berlin alias „Suchtpotenzial“ im Haberkasten vor. Wenn dem so wäre, hätten die beiden, die seit 2013 mit ihrem Musikkabarett „100 Prozent Alko-Pop“ auf Tournee sind, sicherlich nicht gleich auf Anhieb den Publikumspreis des Prix Pantheon 2015 oder den ersten Preis der Jury bei der Tuttlinger Krähe 2016 abgeräumt.

Ob die Inhalte Gefallen finden, ist sicherlich Geschmackssache: Gänzlich ungeschminkt und wenig glamourös reden sie über Sex, und das mit einer Direktheit, die nicht nur ungewöhnlich für Frauen auf der Kabarettbühne ist, sondern sicherlich auch fürs Publikum. Aber ob man manche Textzeile nun verstörend oder platt findet oder eben auch nicht, spielt keine Rolle. Die Themen sind es nicht, die die beiden ausmachen. Vermutlich könnten sie auch Tütensuppen vertonen oder ein Lied über Pflastersteine singen: Die Reaktionen bei den Zuschauern wären identisch. Denn sie sind einfach stimmgewaltig, mitreißend und obendrein komisch. Ihr Live-Auftritt ist energiegeladen und birgt hohes Ansteckungspotenzial. Der Name des Duos trifft es wirklich ganz gut.

Ihr Auftritt macht auch nicht den Eindruck einer durchchoreografierten Performance. Vielmehr wirken sie so, als könnten sie gar nicht anders. Das, was man gemeinhin als Authentizität bezeichnet wird, ist bei den beiden schlichtweg ein mitreißender Sympathiefaktor. Wenn die beiden erzählen, wie in durchzechten Kreuzberger Nächten ihre Texte entstanden sind, nimmt man das den beiden sofort ab.

Wenn Julia Gámez Martin, halb Deutsche, halb Spanierin, mit ihrer Soulstimme loslegt, sich mal am Schwäbischen versucht, dann wieder spanisch anmutend lispelt, und Ariane Müller dazu die Augen verdreht, ihre hüftlange, blonde Mähne über die Tasten des Flügels hängen lässt, kann man sich der Komik der beiden nur schwer entziehen. Hochgradig albern? Ja, aber sie geben auch nicht vor, etwas anderes sein zu wollen.

Wer unbedingt eine Stil-Schublade braucht, dem empfehlen sie: „Punkrock“. Auch wenn das längst überholt sei. Was Punkrock heißt? Gegen den Mainstream schwimmen und das Verbotene tun: Hunde ausführen, wo Hunde verboten sind, rauchen, wo Rauchverbot herrscht. Das kann natürlich ganz schön anstrengend sein, vor allem wenn man Nichtraucher ist und gar keinen Hund hat. Typischer Humor der beiden.

Kürzlich haben sie in Linz gespielt. In Österreich ist das Tragen einer Burka verboten. Also haben sich die beiden gleich mal zwei Gewänder im Internet bestellt und auf der Bühne so überlegt, welche Vorteile eine Burka haben kann: „Man kann geblitzt werden und immer behaupten, es war jemand anderes.“ Man könnte auch eine Swift-Burka für Hausfrauen auf den Markt bringen, die dann beim Gang durchs Haus gleich mal den Staub mitnimmt. Dabei ist ihnen Religion herzlich egal. Aber was Frauen anziehen, sollten Frauen doch bitteschön selbst entscheiden und nicht Politiker – sagen sie.

Eigentlich wollen sie ja gar nicht politisch sein, aber bei vielen Themen – von Körbchengröße bis zu Schnaps trinken – trumpft das Duo mit einer Botschaft auf: Für sie macht es keinen Unterschied, ob Mann, Frau oder sonst ein Gender etwas trägt und tut.

Die herzhaft unverkrampfte Art von Ariane Müller und Julia Gámez Martin kam jedenfalls beim Publikum großartig an: Am Ende gab es zwei Zugaben und tosenden Applaus.

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