Mühldorf – Nach zweijähriger Pause machte das Irish Folk Festival wieder Station in Mühldorf. „Different strokes for different folks“ hieß die 52. Ausgabe dieses Erfolgsgaranten. Altbewährt war der Aufbau des Abends: Vier Solisten beziehungsweise Duos oder Bands bestritten den irischen Abend, am Ende kamen alle Künstler zu einer gemeinsamen „Session“ auf die Bühne. Nicht neu, sondern schon das vergangene Mal dabei war Petr Pandula, der Mann im grünen Anzug. Er ist der Moderator des Abends.
Er spricht Deutsch mit irischem Akzent. Bei ihm muss man wissen, dass seine Familie vor langer Zeit aus der damaligen Tschechoslowakei nach Irland emigriert ist. Dies erklärte er bei seinem letzten Auftritt vor zwei Jahren. Er eröffnete wie folgt: „Immer wenn ich nach Mühldorf komme, fühle ich mich wie Oliver Welke in der ‚Heute-Show‘. Ich höre dieses wunderbare Geräusch – Euren Applaus“.
Der Abend begann stimmungsvoll mit dem „Celtic Guitar Master“ Dave Flynn, dem Meister der irischen Gitarre. Er beherrschte wenig Deutsch, konnte aber immerhin „Grüß Gott!“. Dave Flynn sang nur einmal, er bewies allerdings, welche herrlichen Töne er seiner Gitarre entlockt. Beim Gesang jedoch ist bei Dave Flynn noch etwas Luft nach oben. Er legte mit einer Kombination aus Reel (ein charakteristischer Tanz des schottischen Hochlands) und Flamenco los, also einer Mischung aus irischer und spanischer Musik. Weil er die Frage stellte, ob das Publikum tanzen möge, setzte er mit zwei Walzern fort. Einer trug den deutschen Titel „Hügel der Feen“, der zweite handelte von einem verrückten Zauberer und nannte sich „The mad magician“. Er schloss seinen Solo-Part mit „The long German“, einem Tanz aus Donegal in Westirland. Spätestens jetzt arbeitete das Publikum mit Klatschen und Stampfen der Füße aktiv mit.
Dann betrat ein bezauberndes Mädchen-Duo die Bühne: Von den Shetland-Inseln, nördlich von Schottland gelegen, stammt Amy Laurenson, sie brillierte auf dem E-Piano. Die Irin Eadaoin Ni Mhaicin spielte perfekt auf Geige und Harfe und sie war schon bei Michael Flatleys Welttournee von „Lord of the Dance“ als Solistin dabei. Dass sie über eine hörenswerte Stimme verfügt, bewies sie mit einem alten gälischen Liebeslied. Die gälische Sprache stammt im Übrigen von den Kelten ab, den Ureinwohnern Irlands. „Die Shetland Inseln und Irland liegen weit auseinander, wir trafen uns in Glasgow“ erklärt Amy. Die Stimmung steigt, bei schneller gespielten Liedern klatschen die Gäste begeistert mit. Die jungen Damen haben viele ihrer Stücke selbst komponiert: Ganz im Sinne der irischen Tradition, aber auch mit einer eigenen Note. Weiter geht es mit den „Craic Addicts“. Man erfährt, dass „craic“ ein wichtiges irisches Wort ist. Es bedeutet so viel wie „Spaß, Vergnügen“. Die Fünf-Mitglieder- Band, zwei Damen und drei Herren, sind also „Spaßsüchtige“. Ray Coen (Gitarre), Sarah Jane Barry (Querflöte), Peter Crann (Trommel), Fionnuala Kennedy (Banjo) und Jaimie Carswell (Bass) steigern die Stimmung weiter, es wird heiß im fast ausverkauften Stadtsaal. Zwei Titel mit Damen folgen: „Eileen Og“, das ist die junge Eileen, und „Pretty Peg“, da handelt es sich um die hübsche Peggy, es singt Sarah Jane. In einem wundervollen Flötensolo von Sarah Jane wird ein irischer Pirat besungen, der Auftritt der Band endet mit einem Lied über einen irischen Geschichtenerzähler. Das „Storytelling“ war, wie ein Bandmitglied erzählte, vor 100 Jahren, als es weder Fernsehen noch Radio gab, sehr beliebt und damit sehr wichtig.
Bevor es in die 20-minütige Pause geht, wirbt Petr Pandula noch einmal kräftig für das Merchandising der Iren. Sie haben im Foyer des Stadtsaals einen tatsächlich sehr großen Verkaufsstand aufgebaut, an dem man die CDs aller Mitwirkenden erstehen kann. Aber nicht nur CDs: „Geben Sie Ihr Geld nicht Streamingdiensten wie Spotify, Youtube oder Netflix. Kaufen sie die CDs unserer Künstler. Dann bekommen die das Geld. Vielleicht hat ein Ehemann aber auch den 25. Hochzeitstag vergessen – eine irische Kette für 160 Euro kann da Wunder wirken. Und ich traf hier in Mühldorf einen Bauern, der mir prophezeite, es werde einen harten Winter geben. Der Inn wird zufrieren und gefrorene Vögel werden vom Himmel fallen. Kauft daher einen irischen Wollschal. Er stammt von irischen Schafen, die bestes irisches Gras fressen. Sie werden sich wie ein irisches Schaf fühlen“.
Nach der Pause – der Verkaufsstand war sehr gut besucht – ging es mit vier jungen Musikern weiter – „Buioch“ nennt sich die Formation. Viele Lieder haben sie selbst geschrieben, von einem wünschten sie, sie hätten das mal getan: „Take me back to Ireland“ ist eine wunderschöne irische Ballade, gesungen vom Gitarristen Dale McKay. Rory Tierney spielt dazu das Akkordeon, David Harte den Bass und Kurt Dinneen Carroll die Flöte und den irischen Dudelsack. Die Gäste singen den Refrain mit: „Take me back to Ireland, its people I love so dear, scattered all over the world, come home to your country, my dears“. Auf Deutsch: Bringt mich nach Irland zurück, ich liebe die Menschen da so sehr, all die, die über die ganze Erde zerstreut sind – kommt in euer Land zurück, meine Lieben. Es ist ein Aufruf an die vielen Millionen irischen Auswanderer (die meisten emigrierten aus Not), in die irische Heimat zurückzukehren. Das nächste Lied, „Come my little son“ wird von vielen Künstlerinnen und Künstlern in Irland gesungen – Dales Stimme ist hier einzigartig.
Ein Lied erzählt von einer Katastrophe, die sich im Jahre 1846 in der irischen Hauptstadt Dublin ereignete. Eine riesige Menge an Whiskyflaschen zerbrach, der Whisky ergoss sich über die Straßen der Kapitale. 14 Menschen starben – sie hatten sich auf die Straßen gekniet und den Whisky getrunken. „Typisch Irisch“, meint Dale.
„Read the room“ ist ein abschließendes instrumentales Stück, bevor es zur Session übergeht. Alle Mitwirkenden des dann doch fast drei Stunden dauernden Abends kehren auf die Bühne zurück, das Konzert erreicht den angesteuerten Höhepunkt. Das Publikum wirkt euphorisch, steht auf, klatscht mit, trampelt mit den Füßen, wippt mit dem Körper und dem Kopf. Man fühlt sich in ein irisches Pub versetzt, mitten in Dublin oder in Galway.
Musikalisch und gesanglich wurden allgemein sehr gute Leistungen gezeigt, die Bandbreite erinnerte an Lieder von den Corrs oder von den Dublinern. Eine gute Nachricht hatte Petr zum Schluss. „Der Termin für 2027 ist schon gebucht. Das ,Irish Folk Festival‘ wird nach Mühldorf zurückkehren“. Man darf sich jetzt schon darauf freuen. Vielleicht braucht man ja eine irische Kette oder einen irischen Wollschal.