Mühldorf – Ein „Blechschaden“ – und diesmal ein voller Treffer: Im nahezu ausverkauften Mühldorfer Stadtsaal herrschte eine Atmosphäre, wie man sie bei klassischen Konzerten selten erlebt. Man spürte förmlich, wie das Publikum nicht nur zusah, sondern mitatmete und mitging.
Unter der Leitung des 71-jährigen Musikers Bob Ross zeigte das Ensemble Blechschaden, wie Sympathie, Musikqualität und Spielfreude zusammenwirken können. Die Truppe – fünf Trompeter, ein Hornist, ein Euphonium-Spieler, ein Tubist, zwei Posaunisten und ein Schlagzeuger – bewies eindrucksvoll: Hier sind Spitzenmusiker am Werk, die nicht nur technisch überzeugen, sondern sichtbaren Spaß am Musizieren haben.
Das übertrug sich unmittelbar auf die Reihen. Der Abend war kein reines Konzert, sondern Erlebnis und Event zugleich.
Bob Ross führte mit seiner seit Jahrzehnten bekannten Mischung aus Humor, Anekdoten und präziser Moderation durch das Programm. Er dirigierte, moderierte und war ständig in Bewegung – kein steifes Podium, sondern Bühne mit Dynamik. Ohne ihn wäre das Spektakel nicht denkbar, aber man spürte auch: Seine Musiker sind seine Freunde, man versteht sich blind und doch ist die Show nicht eingefahren, sondern voller Spontaneität.
Musikalisch spannte sich der Bogen von Johann Sebastian Bach über Johann Strauß bis zu Rock-Passagen – in überraschend kreativen Bearbeitungen. Die Bassposaune wurde zur Orgel in einer d-Moll-Toccata von Bach, die „Pizzicato-Polka“ ehrte den Jubilar Johann Strauß, und beim „Tölzer Schützenjazz“ präsentierte der Schlagzeuger ein grandioses Solo. Jedes Stück war ein Höhepunkt, und die Reihe der Höhepunkte wirkte wie eine Perlenkette.
Besonders eindrucksvoll: Zwei Trompeter eröffneten einen Satz von Antonio Vivaldi mit solcher Klarheit und Brillanz, dass der Applaus kaum enden wollte – und plötzlich verstand man ganz anders, was Ross‘ scherzhafte Aussage meint, nämlich dass die „Bläserfraktion“ der wichtigste Teil eines Orchesters sein müsse.
Die Spielfreude war ansteckend: Im Mühldorfer Stadtsaal war das Publikum nicht nur Zuhörer – beim Finale wurde im Stil von Alexis Sorbas zur Filmmusik von Mikis Theodorakis getanzt, ganze Reihen bewegten sich, es herrschte ausgelassene Stimmung. Der Abend wurde durch lang anhaltenden Applaus gefeiert – eine echte Auszeit vom Alltag mit guter Musik, starken Musikern, einem engagierten Bandleader und großer Stimmung.
Wer dachte, ein Konzert klassischer Prägung müsse zwangsläufig feierlich-ernst sein, sah sich hier eines Besseren belehrt. Ross und sein Ensemble lieferten ein Erlebnis, das man gerne öfter genießen würde – voller Herz, voller Energie, voller Blech.Gerd Kreibich