Ein berührendes Zusammenspiel

von Redaktion

Armin Stockerer und Mike Sobotka feiern mit ihrer bayerischen Inszenierung des Kultstücks „Indien“ Premiere in Mühldorf. Was mit derben Wirtshaus-Dialogen beginnt, mündet in eine berührende Geschichte über Freundschaft und Tod.

Mühldorf – „Warum bin ich zum Beispiel ein Mensch geworden und ein anderer nur ein Hendl?“ Mit derlei Tiefgründigkeit beschäftigt sich „Indien“. Armin Stockerer feierte mit seiner bayerischen Inszenierung des österreichischen Kultstücks Premiere im Mühldorfer Kulturschupp’n. Was mit scheinbar belanglosen Dialogen über das Essen beginnt, mündet schnell in derbe, frauenfeindliche Tiraden und schließlich in ein philosophisches Sinnieren über den Tod. Wer den österreichischen Kabarettisten Josef Hader und sein Original kennt, der weiß, worauf er sich einlässt. Andere mag das Zusammenspiel aus Derbheit und Tragik innerhalb des Stücks erschüttern.

Zwei ungleiche Männer
auf minimalistischer Bühne

Stockerers Inszenierung kommt mit wenigen Requisiten aus: ein Tisch, zwei Stühle und im zweiten Teil ein Krankenbett. Dazwischen symbolisiert ein gekonnter Tischdeckenwechsel einen Ortswechsel. Im Fokus stehen die beiden Schauspieler – Armin Stockerer als Heinz Bösel und Mike Sobotka als Kurt Fellner – und ihre Dialoge. Die beiden Hotel- und Gaststättentester sitzen da und reden, oder wie Fellner es nennen würde: „reden klingt so hart“, sie plaudern. Doch so recht scheinen die beiden ungleichen Männer nicht auf einen Nenner zu kommen.

Der biedere Fellner sinniert gern über Indien und die Vorzüge der einzelnen Jahreszeiten, vergleicht die Essgewohnheiten verschiedener Länder mit ihren Landschaften und stellt am liebsten seinen Intellekt bei Trivial Pursuit unter Beweis. Der schroffe Bösel hingegen trinkt gern mal einen über den Durst, schimpft über die Wirte („Wenn’s 90 Prozent von de Wirt hernehman, san 100 Prozent Trottel“) und liebt Watten. Nachdem Fellners Freundin ihn verlässt, ertränkt er seinen Kummer im Alkohol. Auch Bösel, unglücklich in seiner Ehe, stimmt in das Saufgelage mit ein, das von obszönen und sexistischen Kommentaren begleitet wird. („Wennst so eine ältere Frau vor dir liegen hast und überall, wosd hingreifst, fühlt sich’s an wie kalter Gries.“)

Bei diesem Besäufnis, das Stockerer und Sobotka hervorragend spielen, kommen sich die beiden Männer näher und gehen schließlich beim nächtlichen Austausch über Stuhlgangprobleme zum Du über. Die deftigen Aussagen Bösels sind nicht jedermanns Geschmack, im Kulturschupp’n sorgten sie unter dem Publikum aber für viele Lacher.

Armin Stockerer hält sich bei seiner Inszenierung genau an das österreichische Original. Einziger Unterschied ist neben dem bayerischen Dialekt, dass die Geschichte in den Orten der Region, wie Kirchweidach oder Burgkirchen, spielt. Hier geben sich Stockerer und Sobotka hysterischen Lachanfällen hin, die das Publikum anstecken.

Die beiden überzeugen grandios in ihren Rollen. Stockerer als mürrischer Bösel, der letztendlich aber viel Gefühl zeigt, mit cholerischen und rührenden Szenen. Als Fellner hätte er sich keinen besseren als Sobotka wünschen können, den man als besserwisserischen, verträumten Hoteltester einfach gern haben muss. Die beiden harmonieren perfekt, so wie Bösel und Fellner, alias Heinzi und Kurti, am Ende auch.

Tragischer
zweiter Teil

Die Komik des ersten Teils wird im zweiten brutal gebrochen, als bei Fellner Hodenkrebs diagnostiziert wird und er ins Krankenhaus kommt. Bösel kümmert sich rührend um seinen Freund, der außer ihm niemanden hat. Fellner findet sich mit seinem Schicksal ab. Er glaubt an Reinkarnation – so wie die Menschen in Indien – und tröstet seinen Freund damit, dass er nun einen Termin habe, an dem er zu anderer Materie werde. Nach einigen Kommentaren zur Beerdigung („Gefühlsmäßig ist es einer Asche in einer Urne weniger eng als einer Leiche in einem Sarg.“) geht alles ganz schnell. Nach dem letzten Satz herrschte bedrückte Stille im Kulturschupp’n, bevor der Applaus losging.

„Indien“ ist harter Tobak, und viele der Witze aus dem Original gehen heute freilich gar nicht mehr. („Obwohl, ich glaub‘, so richtig Rhythmus im Blut haben eh nur die Neger.“) Stockerer schafft es mit seiner Inszenierung dennoch, ein berührendes Zusammenspiel von Komik und Tragik herzustellen. Nicht zuletzt, weil er und Sobotka ihre Rollen grandios spielen.

Vorstellungen

Artikel 4 von 6