Mühldorf – Mit Claus von Wagner war ein frischgebackener Träger des Bayerischen Kabarettpreises im Haberkasten zu Gast. Der Kabarettist, bekannt aus der ZDF-Satiresendung „Die Anstalt“, die er mit Max Uthoff gestaltet, begann seinen Auftritt mit einem Problem, das derzeit wohl nicht wenige Kabarettisten haben: „Ich wollte den Text für heute fertig haben, was angesichts der politischen Situation voreilig war.“ Sein aktuelles Programm heißt „Projekt Equilibrium“ (lateinisch für „Ausgleich, Balance, Gleichgewicht“). Darin geht es darum, wie man in einer aus den Fugen geratenen Welt Ausgleich schaffen kann.
Schwere Zeiten für
politisches Kabarett
„Ich habe momentan Schreibprobleme, ich bin mit der Gesamtsituation unzufrieden. Es ist schwer für einen politischen Kabarettisten in diesen Zeiten“, klagte Claus von Wagner, den scheinbar Selbstzweifel plagen: „Ich habe zehn Jahre im ZDF Kabarett gemacht. Ob ich erfolgreich war, bezweifle ich. Der CO2-Ausstoß ist viel höher geworden, obwohl ich Andreas Scheuer blöder als das Original dargestellt habe. Das musst du erst mal schaffen.“ Nach zehn Jahren im öffentlich-rechtlichen Fernsehen fragt sich der Künstler: „Hätte ich nicht etwas Sinnvolleres machen können – Buttercremetorten frittieren oder in die FDP eintreten?“
Derzeit pausiert von Wagner bei der „Anstalt“, um sein neues Programm aufzuführen. Darin vergleicht der 1977 in München geborene von Wagner seine Jugend mit heute: „Als ich aufwuchs, gab es noch VHS-Videorecorder. Man musste in die Videothek gehen und dann war die Kassette nicht da. Das ist, als würde man bei Spotify einen Song anklicken und die Antwort bekommen: Den hat Marco aus Waldkraiburg ausgeliehen.“
Zurück zur Politik: „Der Ukrainekrieg hängt davon ab, ob Trump oder Putin Viagra oder Blutdrucksenker genommen haben. Der Erfolg der Koalition hängt davon ab, ob Markus Söder…“, bricht er ab.
Über eine als teils rechtsextrem eingestufte Partei sagt er: „Die haben uns überzeugt, niemanden mehr reinzulassen, damit wir endlich einen Zahnarzttermin kriegen – oder ein schöneres Stadtbild.“
Auch der bayerische Ministerpräsident wird thematisiert: „Satiriker halten Politikern einen Spiegel vor. Aber ist es die beste Idee, Markus Söder einen Spiegel vorzuhalten? Bei der letzten Bundestagswahl hat er ein bayerisches Weltraumprogramm vorgeschlagen. Kennen Sie den Unterschied zwischen der NASA und dem Ego von Markus Söder? Die NASA hat ein Kontrollzentrum.“
Es geht um die mangelhafte Infrastruktur: „Welches Ehrenamt sollen wir ausüben, damit keine Brücken mehr zusammenbrechen? Welche NGO sollen wir sponsern, damit die Deutsche Bahn pünktlich ist? Nicht die FDP! Es ist lustig, die FDP als NGO zu bezeichnen.“ Um die Situation zu verbessern, habe der Staat zwei Möglichkeiten. Erstens: Staatsanleihen ausgeben. Das Problem hierbei seien die „unbekannten Verwaltungsbeamten in den Kellern des Finanzministeriums“. Ein Beispiel für Lösungen: „Die Porsche-Cayenne-Fahrer-Lobby will bei Rot über die Ampel fahren. Die Radfahrerlobby will überleben. Die Lösung: Trefft euch in der Mitte!“
Von Wagner wirft mit politischen Begriffen wie Verschonungsbedarfsprüfung, Schuldenbremse, Sondervermögen („das neue deutsche Wort für Schulden“) und Erbschaftsteuerreform um sich. Die 1997 ausgesetzte Vermögensteuer hätte bis heute 380 Milliarden Euro eingebracht. Doch das sei ein schwieriges Thema für politisches Kabarett: „Ein Programm über Vermögensteuer ist, als würde man beim Knutschen fragen: Hast du schon an die Patientenverfügung gedacht?“
Kinderbücher umschreiben
gegen Klimakrise
Die Klimakrise ist zentral und erfordert das Umschreiben von Kinderbüchern zu Titeln wie: „Der kleine Maulwurf und was ihn umbrachte“, „Oh, wie schön war Panama“ oder „Winnie Puuh findet keinen Honig mehr, weil Biene Maja tot ist“.
Die zweite Möglichkeit des Staates, an Geld zu kommen, seien Steuern. Von Wagner schlägt eine höhere Besteuerung für Reiche vor: „Es gibt Menschen, die sind so reich – die wechseln die Klimazone, wenn sie vom Wohnzimmer ins Bad gehen.“ Er nennt Fakten über die BMW-Milliardäre Susanne Klatten und Stefan Quandt, deren Familienvermögen auf einer Kooperation mit den Nationalsozialisten beruhe. Klatten sei so reich, dass sie bei einer normalen Arbeitswoche 24000 Euro pro Stunde verdient hätte. Apropos BMW: „Parkt ein BMW X7 in unserer Straße und dahinter normal große Autos, meint man, der BMW hätte Junge bekommen.“
Den Abend beendet von Wagner mit einem Zitat des ehemaligen tschechischen Präsidenten Vaclav Havel: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat – egal, wie es ausgeht.“