Mühldorf – Es war einer dieser Abende, an denen man schon nach wenigen Takten spürt, warum sich ein Symphonieorchester, das aus reinen „Amateuren“ besteht, so eindringlich Gehör verschaffen kann. Nimmt man die ursprüngliche lateinische Bedeutung des Wortes – „amare“, also lieben – dann wird klar, was dieses Ensemble ausmacht: die hörbare, unverstellte Liebe zur Musik. Und eben diese Haltung trug den gesamten Konzertabend in der ausverkauften Aula der Mittelschule Mühldorf.
Bekanntes und
Außergewöhnliches
Dirigent Georg Haider hatte ein Programm zusammengestellt, das sowohl Bekanntes als auch Außergewöhnliches vereinte – ein mutiger und zugleich klug gewählter Bogen, der das Publikum auf eine Reise durch nordische Klanglandschaften und barocke Virtuosität mitnahm.
Franz Adolf Berwalds Ouvertüre aus „Estrella de Soria“ öffnete den Abend mit dramatischem Gestus und klar gezeichneten Linien. Hier zeigte das Orchester bereits, dass es ihm weniger um reine Gefälligkeit ging, sondern um erzählerische Spannung. Die dynamischen Kontraste wirkten plastisch herausgearbeitet, und die pulsierende Energie dieser selten gespielten Musik füllte den Raum – ein unerwarteter Schatz, der sofort Aufmerksamkeit band.
Mit Edvard Grieg folgte ein Komponist, dessen Melodien viele für allzu vertraut halten. Doch gerade in der Peer-Gynt-Suite Nr. 1 gelang es dem Orchester, eigene Akzente zu setzen. Die vielzitierte „Morgenstimmung“ wurde nicht einfach abgespult, sondern fein phrasiert und mit atmender Ruhe entfaltet. „Ases Tod“ erhielt eine ungewohnt dichte, beinahe kammermusikalische Spannung, während „Anitras Tanz“ leicht und elegant zu funkeln begann. Spätestens in „In der Halle des Bergkönigs“ zeigte sich die ganze Bandbreite des Ensembles: vom geheimnisvollen Pianissimo bis zum machtvollen Tutti, das die Wildheit skandinavischer Natur greifbar machte. Diese Eindrücke wurden in Griegs „Sigurd Jorsalfar“ noch vertieft – besonders der Huldigungsmarsch erklang mit stolzer Kraft und sauber geführten Blechbläsern.
Die Tür zu einem weiteren nordischen Klangraum öffnete sich mit Niels Wilhelm Gades „Nachklängen von Ossian“. Das Orchester zeichnete hier mit warmem Streicherklang und markanten Bläserfarben eine mystische Atmosphäre, die an Nebel über Fjorden und die erzählerische Kraft alter Sagen erinnerte.
Ein Glanzpunkt des Abends war zweifellos Antonio Vivaldis Konzert für zwei Violinen. Die beiden Solistinnen Anja Udovcic und Sanja Rokic spielten mit einer Mischung aus technischer Brillanz, feinem Zusammenspiel und spürbarer Spielfreude, die das Werk wie auf ihre Persönlichkeiten zugeschnitten wirken ließ. Der erste Satz funkelte vor Energie, das Larghetto zeigte eine berührende, intime Klangschönheit, und das abschließende Allegro entfachte jene Virtuosität, die zu den spontanen Bravo-Rufen im Saal führte.
Lebendiger
musikalischer Moment
Am Ende des Abends stand jene angenehme Gewissheit, die nur wirklich gelungene Konzerte hinterlassen: dass man Zeuge eines lebendigen musikalischen Moments geworden ist. Das Symphonieorchester Mühldorf hat eindrucksvoll gezeigt, wie kraftvoll und beseelt Musik klingen kann, wenn sie aus echter Leidenschaft entsteht. Und das Publikum dankte es mit großem Applaus – und dem Gefühl, einen besonderen Abend erlebt zu haben.