Polling – Es ist einige Jahre her, da wurde im Shop des Freisinger Diözesanmuseums ein ungewöhnlicher Adventskalender angeboten. Goldfarbener Titel mit darüber schwebendem Morgenstern: „Adventus“, was soviel wie „Ankunft“ bedeutet. Wer – wie der Museumsbesucher aus Polling – das einem Buch ähnliche Stück erstand, konnte ihm sechs Kartons in den Farben Gold, Rot, Grün und Blau mit je vier ausgestanzten und herausnehmbaren Figürchen entnehmen: ein rotes brennendes Herz, einen güldenen Stern, ein kreisrundes dunkelrotes Plättchen und einen jungen Engel auf einer weißen Wolke. Der Reihe nach sollten diese Figürchen vom 1. bis 24. Dezember aus den Kartons gelöst werden, jeden Tag eines.
Der Engel auf dem Karton mit der Nummer 3 breitet ein weißes Band mit der Aufschrift „Weisheit“ aus. Nummer 2 gibt die „Demut des Herzens“ preis, Nummer 4 die Tugend der „Stärke“, Nummer 1 in Form eines achteckigen Sterns trägt die Aufschrift „Hoffnung“. Hierzu ist ein Hymnus als „Laudes zum 1. Dezember“ zu lesen: „Dies ist der Hoffnung lichte Zeit; der Morgen kommt, der Tag bricht an: Ein neuer Stern geht strahlend auf, vor dessen Schein das Dunkel flieht“.
„Ergieße dich in unser Herz und nimm es dir zu eigen!“ steht als Terz zum 2. Dezember. Ein Hymnus aus der Vesper zum 3. Dezember lobt den Heiligen Geist der Wahrheit, der Psalm 27, 1, die Lesehore zum 4. Dezember, lautet „Der Herr ist mein Licht und mein Heil: Vor wem sollte ich fürchten?“ Geistliche Anregungen, entnommen dem kirchlichen Stundengebet. So lernt auch der Laie diesen keinem katholischen Geistlichen fremden Text, wenigstens auszugsweise, kennen.
Zum Gebrauch dieses ungewöhnlichen Adventskalenders sind zwei Grundtugenden nötig, wie es in der Anleitung heißt: Neugierde und Geduld. Dafür gibt es am Ende 24 Figürchen zum Schmücken des Christbaums. Womit der Besitzer des „Adventus“ sich in eine alte, seit dem 19. Jahrhundert bekannte Tradition einreiht: Christbaumschmuck aus Karton zu benützen. „Der bekannteste Schmuck aus Karton waren Produkte aus sogenannter Dresdener Pappe“, eines geprägten Goldkartons. Bis in die 1920er-Jahre soll die Dresdener Pappe üblich gewesen sein. So jedenfalls die unbekannt gebliebene Person, die den Begleittext schrieb.
Es mag Zufall oder Fügung gewesen sein: Dieses rare Exemplar eines Adventskalenders wurde nicht im Museumsshop auf dem Freisinger Domberg erstanden, sondern auf einem November-Flohmarkt. Der geforderte Preis des noch völlig intakten, ungebrauchten Fundstücks von zwei Euro wurde vom glücklichen Kunden um ein paar Münzen aufgestockt. Liebend gern. Hans Gärtner