Aschau – Mit ihrem aktuellen Tanzpartner, Nedas Jonaitis aus Litauen, gewann sie im Oktober die bayerische Meisterschaft (wir berichteten) und rauschte dann weiter zum deutschen Meisterschaftstitel in ihrer Altersklasse Jugend A. Und das, obwohl die beiden erst wenige Monaten zusammen trainiert hatten. Auf der nordeuropäischen Meisterschaft im polnischen Elblag erreichte das Paar kurz darauf den fünften Platz. Am 16. Dezember geht sie in Riga, Lettland, für Deutschland bei der Weltmeisterschaft (Jugend Standard) aufs Parkett.
Die 16-Jährige kommt gebürtig aus Mühldorf und ist in Aschau aufgewachsen, wo sie bis vor Kurzem noch das Gymnasium besuchte. Seit einigen Monaten lebt sie in Kaunas, der zweitgrößten Stadt Litauens. In Kaunas, 1450 Kilometer vom beschaulichen Aschau entfernt, geht ihr aktueller Tanzpartner zur Schule. Die Stadt ist im internationalen Tanzsport nicht unbekannt. Hier finden internationale Turniere und auch Workshops für Amateure und Profis statt.
Hier hat Kimberly Koparanova vor zweieinhalb Jahren während eines Trainingscamps ihren aktuellen Tanzpartner kennengelernt. Als sie dieses Jahr wieder auf einem Workshop in Litauen war und ihr eigentlicher Tanzpartner vorzeitig abreisen musste, tanzte sie mit Nedas. Die Trainer waren so begeistert, dass Tänzer, Familie und Betreuer nach der Möglichkeit eines gemeinsamen Trainings suchten.
Aus Aschau nach Kaunas in Litauen
Fazit: Kimberly zog nach Kaunas, lebte zuerst in der Familie ihres Tanzpartners, vor ein paar Tagen hat sie eine eigene kleine Wohnung bezogen. Das Abitur hat sie nicht aufgegeben. Über einen Hamburger Anbieter absolviert sie ein Fernabitur. Ansonsten steht das tagtägliche Training im Vordergrund.
Wie das geht? 6.30 Uhr aufstehen, dann Warm-up für den Muskelturnus. Duschen, frühstücken, wobei sie sehr auf ihre Ernährung achtet. „Die Trainer empfehlen eine bestimme Anzahl an Kalorien, die man nicht überschreiten sollte. Das ist kein Zwang. Ich versuche aber, nicht nur die Anzahl an Kalorien einzuhalten, sondern mich auch gesund zu ernähren“, erzählt sie.
Vormittags lernt sie in Eigenregie für ihr Abitur, bevor sie vor dem Mittagessen ihre Trainingsklamotten wäscht und bügelt: „Das ist wirklich nervig und sehr aufwendig.“
Das Training beginnt mit Übungen zum Aufwärmen. Der Stundenplan funktioniert ähnlich wie in der Schule, 45 Minuten pro Fach. Auf dem Plan stehen etwa Choreografien durchtanzen, Einzelstunde oder Konditionstraining. Zwischen den Stunden gibt es 15 Minuten Pause. In ihrer Wohnung folgt dann abends das Cool-down-Programm – Stretching und Übungen mit der Blackroll. An den Wochenenden ist sie meist unterwegs, quer durch Europa von einem Wettkampf zum nächsten. Bei dem Pensum gehören Verletzungen zum Alltag. „Bei dem einen ist es das Knie, bei dem anderen zwickt das Sprunggelenk. Das ist normal. Man muss einfach sehr auf sich aufpassen.“
Ihre Geschichte ist keineswegs ein „Lebe deinen Traum“. Das wäre zu romantisch, räumt sie selbst ein. Dafür erfordert allein ihr Tagesablauf zu viel Disziplin. „Aber wenn man an die Spitze will, muss man da durch. Wenn der Tagesablauf einmal zur Gewohnheit geworden ist, dann geht das auch ganz gut!“ Kimberly sieht das nicht als Opfer. „Ich habe einen starken Willen. Ich stehe jeden Morgen auf und denke kurz an das, was ich erreichen will und wofür ich das mache!“
Ein Leben für die Profikarriere
Natürlich war ihr Leben in Aschau einfacher: „Wir haben ein großes Haus, hier lebe ich in einer kleinen Wohnung. Meine Eltern sind weit weg, und ich muss mich um alles selber kümmern. Aber ich bin glücklich, ich habe ein Ziel. Die meisten meiner Freunde hier sind auch Tänzer. Sie verstehen das.“ In Litauen gibt es weniger Luxus, weniger Ablenkung als in Deutschland: „Für viele ist das Tanzen hier alles.“
Für Kimberly auch. Sie tanzt, seitdem sie denken kann. Als sie zwölf war und noch in Aschau wohnte, hatte sie zeitweilig einen Tanzpartner in Stuttgart: „Ich bin dann immer für drei Tage mit dem Zug nach Stuttgart gefahren.“ Ihr Umfeld quittierte das mit Kommentaren wie „du bist verrückt, komm doch mal runter. Mach doch einfach deine Schule und geh‘ dann studieren.“
Auch ihre Eltern sehen die Passion ihrer Tochter nicht unkritisch. Sie wissen, wie hart eine Profikarriere ist. Die beiden kommen aus Bulgarien und waren Profitänzer, bevor sie ihre Tanzschule in Aschau gründeten. „Als ich sechs war, waren meine Eltern beide noch aktive Tänzer und auf Wettkämpfen unterwegs. Ich habe mitbekommen, wie das ist. Meine Mutter ist heute noch unheimlich diszipliniert“, so Kimberly.
Und die Eltern? „Natürlich ist das auch für uns nicht einfach, dass Kimberly mit erst 16 Jahren jetzt in Litauen trainiert. Es gibt auch keine Garantie, dass sie es schaffen wird. Aber ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man, wenn man die Chance hat, es auch ausprobieren muss. Dabei werden wir ihr nicht im Weg stehen“, so ihr Vater.