Baustelle am Stadtwall

Die Stadt wächst unter der Erde

von Redaktion

Kanalarbeiten am Stadtwall behindern den Verkehr in der Stadt massiv. Sie dienen der Erweiterung des Kanals.

Mühldorf –Ernst Böhm vom Tiefbauamt der Stadt spricht von einem neuralgischen Punkt in der Stadt. Die Kreuzung der Friedhofstraße mit dem Stadtwall. Dabei meint er nicht die Tempo-30-Beschilderung oder die schwierige Ausfahrt aus dem Stadtwall. Neuralgisch bezieht sich bei Böhm auf das, was er „die Stadt unter der Stadt nennt“. All die Kanäle, Leitungen und Rohre, die Mühldorf in der Tiefe durchziehen und an manchen Punkten eben Schwierigkeiten bringen. Gas, Wasser, Strom, Lichtwellenleitungen, an anderen Orten auch Telefon- oder Glasfaserkabel.

Ein solcher ist für die Kanalisation der Inn. Unter ihm hindurch führen zwei Düker, gerade einmal 40 Zentimeter im Durchmesser. Durch den Druck, den das Abwasser in den vorhergehenden Rohren mit wesentlich höherem Durchmesser erzielt, läuft das Wasser auf der anderen Innseite bergauf in Richtung Kläranlage, ohne elektrische Pumpen, ohne Hydraulik. Einer dieser Düker endet an der Friedhofstraße, die großen Kanäle davor dienen als Stauraum, sollte einmal mehr Abwasser ankommen, als der Düker schlucken kann.

Zugleich hält der Stauraum Dreck zurück, falls der Kanal bei einem Unwetter mit starkem Regen das anfallende Wasser nicht mehr fassen kann und in den Inn leitet. Das kommt laut Böhm etwa 20-mal im Jahr vor. Da das Abwasser durch den starken Regen extrem verdünnt werde, stelle es keine Gefahr für den Inn dar.

Die beiden Stauraumkanäle in der Friedhofstraße und dem Stadtwall, in den 1960er- und 1990er-Jahren gebaut, reichen nicht mehr aus. Auf 581 Kubikmeter beziffert Böhm deren Kapazität, die jetzt um 25 Prozent erhöht wird, indem neben den bestehenden Kanal ein zweiter gelegt wird. Grund für die Maßnahme ist das stetige Wachstum der Stadt im Norden.

Derzeit versenkt ein Spezialgerät Spundwände im Innkies, wie in weiche Butter dringen die acht Meter hohen Stahlträger ins Erdreich. Der Innkies macht es möglich, erzählt Böhm und weist darauf hin, dass die Arbeit extrem präzise verlaufen müsse, damit die Stadt unter der Stadt mit all ihren Leitungen und Kanälen nicht beschädigt werde.

Wenn die Spundwände drin sind und Bagger das Erdreich ausgraben, beginnt der Teil der Arbeiten, deren Dauer nicht absehbar ist. Denn im Boden rechnen die Planer mit archäologischen Überresten, die ausgegraben und gesichert werden müssen. Wie beim Bau des benachbarten Altenheims kann das länger dauern, weil das Landesdenkmalamt hier wie dort mit ergiebigen Funden rechnet. Schließlich verlief dort einst der Stadtgraben, der irgendwann mit Schutt aufgefüllt wurde.

Rechnet man die in Mühldorf immer bestehende Möglichkeit mit ein, dass Kampfmittel im Boden entdeckt werden, ist die Bauzeit nicht genau zu bestimmen. „Wir sind abhängig von Dingen, die man nicht beeinflussen kann“, sagt Böhm. Ziel ist es, im Oktober fertig zu werden.

Der zweite Inndüker liegt am Freibad in der Erde, er entstand 2002, um die erste große Wachstumswelle in Mühldorf Nord abwassertechnisch bewältigen zu können. In den derzeitigen Ausbau investiert die Stadt nach Angaben Böhms 750000 Euro.

Damit nicht genug, die nächste Stauraumerweiterung Richtung Krankenhausberg steht bereits bevor. 220 Kubikmeter sollen dort entstehen; der Zeitpunkt ist allerdings noch offen. Dann wächst auch die Stadt unter der Stadt wieder ein Stück weiter.

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