Streit mit Seniorenheim eskaliert

88-Jähriger muss sein Zimmer räumen

von Redaktion

Dreimal Hausverbot für die Tochter, zum Schluss die Kündigung für den Vater: Der Eigentümer des Seniorenheimes St. Josef, Uwe Kaiser, hat jetzt zum letzten Mittel gegriffen, weil er durch die Angehörige eines Klienten eine erhebliche Störung des Betriebsfriedens sieht. Doch darf er einen 88-Jährigen vor die Tür setzen, weil er im Clinch mit dessen Tochter liegt?

Neumarkt-St. Veit – „Es ist ein Skandal“, Rosi Lenz kann nur noch den Kopf schütteln über die Vorgehensweise des Seniorenheimes in Neumarkt-St. Veit, das ihr Vater Anton Sarcher seit 2014 bewohnt. Denn nach vier Jahren hat das Seniorenheim den Vertrag für die Unterbringung aufgekündigt. Nicht etwa, weil der 88-Jährige ungebührliches Verhalten an den Tag gelegt hat. Es ist das Ergebnis einer Auseinandersetzung zwischen dem Pflegeheim und der Tochter des Bewohners, Rosi Lenz, der innerhalb der vergangenen zwölf Monate eskaliert ist.

Stein des Anstoßes: Wiederholt hätte sie nach eigenen Angaben auf Missstände im Heim hingewiesen – schlechte Gerüche in den Zimmern, hygienische Mängel im Allgemeinen und unzureichende körperliche Pflege der Heimbewohner. Als Konsequenz der Vorwürfe verbot ihr die Heimleitung, mit anderen Bewohnern zu sprechen: „Weil das Heim verhindern will, dass die Missstände an die Öffentlichkeit geraten!“, sagt Lenz.

Seit September 2017 erhielt die Egglkofenerin drei Einschreiben, die ihr die Anwaltskanzlei des Seniorenheimes zugeschickt hat und in denen jeweils unter Androhung auf Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs ein Hausverbot erteilt worden war. Das letzte ist auf den 12. Juli 2018 datiert. Nur nach vorheriger Terminvereinbarung durfte Lenz ihren Vater noch besuchen.

Die vom Heim dargelegten Gründe für das Hausverbot sind vielfältig: So habe Lenz Beschwerden nicht etwa direkt gegenüber der Heimleitung vorgebracht, sondern mit dem Pflegepersonal in deren Freizeit besprochen oder die Pflegequalität öffentlich kritisiert. Fremdenfeindliche Äußerungen gegenüber einer Bewohnerin werden ihr vorgeworfen, außerdem Beschimpfungen gegenüber dem Personal. Die Auseinandersetzung eskalierte, als Lenz schließlich lautstark in der Einrichtung das Personal für den Tod einer Bewohnerin verantwortlich machte. Als haltlos wies das Heim und dessen Anwalt diese Anschuldigungen zurück und erteilte dann das Hausverbot.

Regelmäßige Kontrolle durch die Heimaufsicht

Lenz sieht sich im Recht, hat ihrerseits reagiert, die Heimaufsicht im Landratsamt in Mühldorf eingeschaltet. Zum konkreten Fall befragt hält sich das Landratsamt gegenüber der Heimatzeitung zurück, verweist auf Datenschutz-Gründe, weshalb sie Auskünfte zum St. Josefsheim verweigert.

Allgemein aber erklärt die Behörde auf Nachfrage, dass Einrichtungsbegehungen turnusmäßig mindestens einmal jährlich beziehungsweise anlassbezogen – insbesondere bei Beschwerden – „jeweils unangemeldet“ durchgeführt würden. Die Kontrolltermine werden auch auf der Internetseite des Landratsamtes öffentlich gemacht, demnach wurde das Heim im vergangenen Jahr im März und im Oktober inspiziert. Ein Kontrollbericht über den Besuch taucht jedoch nicht auf. So viel Transparenz lassen tatsächlich nur einige der Senioren- und Pflegeeinrichtungen im Landkreis zu. Denn nur mit deren Zustimmung darf der Bericht auch öffentlich zugänglich gemacht werden. Der letzte veröffentlichte Bericht über das Josefsheim stammt aus dem Jahr 2014.

Ob die von Lenz ins Feld geführten Beanstandungen der Wahrheit entsprechen, darüber schweigt sich die Behörde aus, betont aber, dass man Beschwerden sehr ernst nehme, um „die Würde sowie die Interessen pflege- und betreuungsbedürftiger Menschen zu schützen“.

Umso kurioser ist es nun, dass inzwischen auch Lenz‘ Vater Anton Sarcher Konsequenzen zu spüren bekommt. Schon Mitte Mai hat er die Kündigung des Heimvertrages zum 31. Juli bekommen, ohne selbst einen Grund für den Rausschmiss geliefert zu haben. Vielmehr führt die Heimleitung alleine die Verfehlungen von Rosi Lenz auf, die schon Grundlage für ihre Hausverbote waren. „Aufgrund der erheblichen Störung unseres Betriebsablaufs und des Betriebsfriedens durch Ihre Tochter Frau Rosmarie Lenz ist uns eine Fortsetzung des Heimvertrages mit Ihnen nicht zumutbar“, heißt es in einem Anwaltsschreiben. Dies rechtfertige nach Ansicht der Heimleitung die Kündigung, sie bezieht sich dabei auf Paragraf zwölf des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes, das dieses einseitige Kündigungsrecht definiert, wenn denn ein „wichtiger Grund“ vorliege.

Pflegeheim droht

mit Zwangsräumung

Den 31. Juli hat Rosi Lenz ungerührt verstreichen lassen. Zunächst ohne Konsequenzen für ihren Vater. Zumal der Anwalt des Heimes, Dr. David Preisner zuvor Gesprächsbereitschaft signalisiert hatte. „Wir bedauern diesen Konflikt und versuchen immer, eine einvernehmliche Lösung zu finden.“ Es sei nicht so, dass man den 88-Jährigen von heute auf morgen auf die Straße setzen wollte. Vielmehr sei man gerne behilflich, wenn es darum gehe einen neuen Heimplatz zu finden. Die von Lenz vorgetragenen Vorwürfe – besonders die Kritik an der Pflegequalität – dementiert er. Preisner verweist auf die zuständigen Behörden, deren regelmäßiger Kontrolle man unterworfen sei.

Das Heim hat Rosi Lenz noch eine Galgenfrist bis morgen, 15. August, gegeben. Sollte auch dann das Zimmer nicht geräumt werden, drohte das Seniorenheim mit Zwangsräumung. Rosi Lenz will es auch darauf ankommen lassen. „Damit kommt er nicht durch“, zeigt sie sich kämpferisch.

Stellt sich die Frage, warum Rosi Lenz nicht schon längst dem St. Josefsheim den Rücken gekehrt hat. „Weil ich das den anderen Leuten, die dort wohnen, nicht antun kann. Das sind zum Teil Menschen ohne Fürsprache, die würden auf der Strecke bleiben und der Heimleitung ausgeliefert bleiben, weil niemand sonst den Mund aufmacht.“ Den Behörden wirft sie Versagen vor.

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