Rosenheim – Steuerberater werden in der Corona-Krise zu Lotsen, die ihre Mandanten durch das Meer aus staatlichen Hilfen führen sollen: Die Anträge müssen in fast allen Fällen über einen „prüfenden Dritten“ erfolgen. Die Arbeitsbelastung für Marianne Suren (63) und Dr. Stephan Schmitt (53) von der gleichnamigen Rosenheimer Steuer- und Rechtsanwaltskanzlei ist groß.
Überbrückungshilfe I, II und III, November- und Dezemberhilfe, Corona-Soforthilfe, Neustarthilfe. Das ist nur ein kleiner Auszug aus den staatlichen Förderungen, mit denen sich Suren und Schmitt seit Beginn der Pandemie beschäftigen.
Doch nicht nur die vielen verschiedenen Anträge machen den Arbeitsalltag der Steuerberaterin und des Rechtsanwalts stressig. Es seien vor allem die sich ständig ändernden Regeln und die fehlende Klarheit, die Probleme machten. „Die Hilfen mutieren genauso schnell wie das Virus“, sagt Schmitt. Sie erführen von vielen neuen Vorgaben erst durch die Medien. „Was uns aufgebürdet wurde, ist der Wahnsinn“, findet Suren. Ihr Kollege ist der Meinung, dass es einen zweiten Kanal geben sollte, um die Hilfen zu beantragen – zum Beispiel das Finanzamt. So würden die Steuerberater entlastet. Suren weiß, dass Kollegen Menschen abweisen müssen, die auf der Suche nach einem Steuerberater sind. Davon seien sie aber nicht betroffen.
Sie selbst beschäftige sich rund 40 Prozent ihrer wöchentlichen Arbeitszeit nur mit Corona-Hilfen. Andere Projekte blieben deshalb länger liegen, sagt sie. Sie arbeitet täglich zehn bis zwölf Stunden, recherchiert und verinnerlicht die Voraussetzungen für die unterschiedlichen Programme.
Jede Situation ist
ein bisschen anders
Dann prüft sie, welche Hilfe für welchen Mandanten infrage kommt. Denn: Jede Situation sei anders. Sie müsse immer ganz von vorne beginnen. „Unbürokratisch ist es nicht.“ Das koste Kraft. Und Zeit. Manchmal brauche sie einen ganzen Tag für einen Antrag, die Fristen und Sorgen der Mandanten immer im Hinterkopf. Das mache ihr Druck. „Das Ganze funktioniert einfach nicht auf Knopfdruck wie bei einer Amazon-Bestellung“, ergänzt Schmitt. Die Politik schaffe eine gewisse Erwartungshaltung, indem sie „sofortige und unkomplizierte“ Hilfen ankündige. Wenn es mit der Förderung nicht klappt, seien es die Steuerberater, die die „schlechte Nachricht“ überbringen. Dann den vollen Stundensatz zu berechnen, komme für die beiden aus „moralischen Gründen“ nicht infrage. Dass sie manchmal umsonst arbeiten, nehmen sie in Kauf.
Die Sorgen ihrer Mandanten begleiten Marianne Suren bis nach Hause. Genauso wie die Angst, eine wichtige Frist oder Regelung übersehen zu haben. Bevor sie das Büro verlässt, schaut sie deshalb noch einmal in ihr System. Sie prüft, ob es neue Infos gibt oder ob sich der Status von Anträgen geändert hat. Wenn es so ist, bleibt sie im Büro. Wenn nicht, geht sie und hofft auf den nächsten Tag. asc