Neulich auf der Wiesn

von Redaktion

Schade, dass heuer kein Volksfest ist. Das Bedauern darüber steigert sich immer dann ins Unermessliche, wenn die Waldkraiburger Wiesn zum politischen Tummelplatz wird. So wie am Mittwoch.

Querdenker, Impfgegner, rechtsextreme Populisten, radikale Demagogen, Verschwörungstheoretiker und ultralinke Schwärmer haben sich am Demo-Hotspot der Stadt schon öfter ein Stelldichein gegeben. Diesmal hatten die Scharfmacher von der AfD zur Wahlkundgebung gegen afghanische Flüchtlinge gerufen – und eine antifaschistische Aktion spontan zur Gegendemo.

Zunächst hatte es danach ausgesehen, dass beinahe jedem Teilnehmer der Versammlungen einer der gut 20 Polizeibeamten zur Seite gestellt werden könnte, die ihren Arbeitstag auf der Wiesn ausklingen ließen. Die Polizisten hätten eigentlich auch was anderes zu tun, aber man weiß ja nie, ob es nicht Ärger gibt bei derlei Zusammenkünften.

Um es vorwegzunehmen: Ärger gab es nicht, stattdessen boten Redner das übliche Polit-Ritual für eingeschworene Parteigänger und demonstrierten eindrucksvoll, dass man auch ohne Bierzelt mühelos unter Bierzelt-Niveau bleiben kann. Frei nach dem Motto: Hier wir, dort Feind! Die einen wittern überall verkappte Impfpflicht und andere üble Folterinstrumente der Regierenden. Sie malen das Szenario einer neuen Flüchtlingswelle an die Wand, von dem sie sich ein paar Prozentpunkte mehr bei der Bundestagswahl versprechen.

Dagegen kann man selbstverständlich protestieren. Aber muss das mit der Klassenkämpfer-Rhetorik des auslaufenden 19. Jahrhunderts sein?

Die Mitte der Gesellschaft, die die Augen verdreht, bei solchen Parolen, ob sie nun von Links- oder Rechtsaußen kommen, und weder mit den einen noch mit den anderen etwas zu tun haben will, war auch auf dem Festplatz vertreten: durch eine grüne Stadträtin, die am Rande der AfD-Runde auf einem Schild das „bunte Waldkraiburg“ hoch hielt, durch den Vorsitzenden des Netzwerks für Demokratie und Toleranz im Landkreis und dessen Frau sowie eine ältere Dame, die für Zusammenhalt warb und gegen Hass, Hetze und Gewalt protestierte.

Es war ein kleines Häuflein, wie man das auch im Internet von der schweigenden Mehrheit kennt, die sich angewidert und genervt zurückhält, wenn es laut und grob wird. Dabei wäre es ab und zu nicht verkehrt, würden die vielen den Extremen ganz unaufgeregt, aber doch deutlich aufzeigen, dass sie in der Minderheit sind. Selbst der besucherschwächste Tag der Nachbarschaft auf dem Waldkraiburger Volksfest lockt jedenfalls ein Vielfaches an Leuten an.

Dabei gab es sogar einen Wiesnauszug. Die antifaschistische Aktion war mit ihrem Versammlungsplatz so gar nicht zufrieden. Warum, ist unklar. Denn das Landratsamt hatte ihnen ja nicht den Bereich rechts hinten, sondern links hinten zugewiesen. In Polizei-Begleitung ging es nach der Kundgebung noch im kleinen Kreis vors Rathaus, um gegen die Kreisbehörde zu protestieren.

Von so viel Aktion und Agitation kriegen Normalos leicht einen schweren Kopf. Als wären sie grade nach einer Höllenfahrt von einer der Schleudermaschinen des Vergnügungsparks wieder ausgespuckt worden oder hätten mindestens ein alkoholhaltiges Kaltgetränk zu viel zu sich genommen. Trotzdem: Die richtige Wiesn wär uns schon lieber gewesen. Schade ums Volksfest.

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