Mühldorf – Mühldorfs Amtsgerichtsdirektor Jürgen Branz will am zweiten Verhandlungstag zum Unfalltod eines 16-Jährigen in Mühldorf so weitermachen, wie er vor elf Tagen begonnen hat: Ruhig und zurückhaltend, sachlich, ohne große Emotionen, obwohl der Prozess viele bewegt. Das zeigt sich im großen Saal des Amtsgerichts Mühldorf, der wieder gut gefüllt ist, obwohl es an diesem Tag um nicht besonders viel geht.
Auf 200 Meter im Rückspiegel erkannt
Streng genommen ist dieser Prozesstag nur notwendig, um die vorgeschriebene Unterbrechungspause von maximal drei Wochen nicht zu überschreiten. Denn die Gutachter, deren Aussagen mit Spannung erwartet werden, können erst in der zweiten Januarwoche ins Gericht kommen. Sie äußern sich zum Tod des Jugendlichen, zu den Autos, zu Geschwindigkeiten. „Der heutige Termin ist irrrelevant, es wird nichts Existenzielles passieren“, sagt Branz.
Und doch schwingen die Fragen mit, die über den Ausgang des Verfahrens gegen Hans T. und Peter A. entscheiden werden. Haben die beiden am Freitag, 5. Februar, gegen 19.30 Uhr auf der Nordtangente ein illegales Autorennen gefahren, bei dem sie mit hohem Tempo nach Mühldorf rasten, wo Hans T. mit seinem Golf den 16-Jährigen auf Höhe des Innkanalstegs tötete?
Während Richter Branz sogar das verspätete Erscheinen von Hans T. und seinem Anwalt Axel Reiter betont gelassen abwartet, ist der Vater des Jugendlichen aufgebrachter. Er hat sich in dem Prozess bislang nicht geäußert, diskutiert jetzt aber mit seiner Anwältin Julia Siegfried, die ihn als Nebenkläger vertritt: „Wie kann er im Dunkeln auf 200 Meter Entfernung das Auto im Rückspiegel erkannt haben? Probieren Sie das mal aus. Ich kann das nicht.“
Mit Warnblinker geantwortet
Genau das hatten die Verteidiger der beiden Angeklagten zu Prozessauftakt im Namen ihrer Mandanten ausgesagt, sogar von 200 bis 300 Meter gesprochen. Dass Hans T. das Auto von Peter A. erkannt habe, als er hinter ihm aus dem Kreisel bei McDonalds auf die Nordtangente gefahren sei und einmal aufgeblinkt habe. Daraufhin habe Hans T. kurz mit dem Warnblinker geantwortet und sei weitergefahren. Der Abstand der Autos, so Jörg Zürner, der Anwalt von Peter A, habe sich danach vergrößert. Nachfragen zu diesen Aussagen am ersten Prozesstag vor knapp zwei Wochen durch das Gericht oder die Staatsanwältin blieben aus, die Angeklagten wollten keine Stellung nehmen. Jetzt, das erklärt Nebenklagevertreterin Siegfried, hängt alles davon ab, ob sich die Angeklagten doch noch äußern oder wie der Richter die Aussage wertet. Der gibt an diesem Tag eine kurze Vorausschau auf den 11. Januar, an diesem Tag werden die Gutachter aussagen.
Die Fahrzeuge
waren manipuliert
Unter ihnen ist Frank Schmidinger, der die beiden Autos genau untersucht hat. Seine Erkenntnisse, sagt Richter Branz, lägen den Anwälten vor.
Eine ist: Die Autos waren so manipuliert, dass ihre Betriebserlaubnis erloschen ist. Branz fordert die Rechtsanwälte auf, über eine Aussage ihrer Mandanten nachzudenken, gibt ihnen das als Hausaufgabe mit. „Ich stelle die Frage, ob sie von den Umbauten Kenntnis hatten“, sagt Branz. „Nach der Lebenserfahrung muss man davon ausgehen.“
Schon einmal hatte sich Branz zu den Aussagen der Angeklagten durch ihre Anwälte geäußert, als es um die Geschwindigkeit ging, mit der Hans T. den Jugendlichen erfasst hat. Da berief sich Branz ebenfalls auf ein Gutachten, in dem von Tempo 80 die Rede war, mit der der Golf den Jugendlichen tötete. Die Staatsanwaltschaft geht in ihrer Anklageschrift sogar von einer Kollisionsgeschwindigkeit von 104 bis 109 Kilometer in der Stunde aus. Noch keine Rolle spielt die Aussage des Zeugen, der bei der Polizei vergessen worden ist und sich jetzt bei der Heimatzeitung meldete. So erhielten Verteidiger und Staatsanwältin zwar die Blätter 806 bis 843 zu den Prozessunterlagen, in ihnen ist die jetzt nachträglich durchgeführte Vernehmung zweier Zeugen bei der Polizei protokolliert. Es ist aber fraglich, ob die beiden vor Gericht aussagen werden. „Aus meiner Sicht reicht eine Verlesung“, sagt Branz.
Die Anwälte wollen sich nicht zu den neuen Erkenntnissen äußern. „Wir haben sie gerade erst erhalten und kennen sie noch nicht“, sagt Anwalt Reiter, auch sein Kollege Zürner muss sich erst einarbeiten.
Für Peter A. hat der Prozesstag dennoch Konsequenzen. Nachdem ihm Richter Branz bereits den Führerschein zurückgab, erhält er jetzt auch sein Auto, der Richter hebt die Beschlagnahme des Seat Leon auf.
Hans T. darf dagegen auch weiterhin nicht Auto fahren. Sein Führerschein bleibt eingezogen, das Auto beschlagnahmt.
Der Prozess geht mit den Aussagen der Gutachter am Dienstag, 11. Januar, weiter. Ob da auch schon ein Urteil fällt, ist offen.