Erinnerungen an einen langen Fußmarsch vor vielen Jahren

von Redaktion

Schwester Pia Reiter feiert ihren 100. Geburtstag in der Einrichtung Ecksberg in Mühldorf

Mühldorf – Die Franziskanerin vom Dritten Orden des heiligen Franziskus, Schwester Pia Reiter, feierte im Januar ihren 100. Geburtstag. Die Ecksberger Schwester lebt seit über 67 Jahren im Mutterhaus der Kongregation in Ecksberg.

„Als der Bummelzug in den Bahnhof Mühldorf einfuhr, stand die junge Frau von der Holzbank im Abteil auf und hob einen Koffer von der Gepäckablage herunter. Sie kam mitsamt ihrer Last ins Straucheln, als der Zug ruckartig abbremste, konnte sich aber gerade noch auf den Beinen halten. Das an den Kanten und Ecken abgeschürfte Gepäckstück stellte sie neben ihren zweiten Koffer, der während der Fahrt zwischen den Bankreihen auf dem Boden stand. Er störte niemanden, denn im Zug befanden sich nur wenige Fahrgäste. Kurz vor der Einfahrt in den Bahnhof öffnete sie das Fenster. Das brachte kaum Abkühlung. Der 5. Mai 1954, ein Mittwoch, war ein für die Jahreszeit ungewöhnlich warmer Tag. Mühsam trug Therese ihre Koffer zum Ausstieg. Noch einmal ging ein Ruck durch den Waggon, dann stand der Zug. Sie hatte genügend Zeit, die Gepäckstücke auf den Bahnsteig hinunterzustellen. Der Zug fuhr nicht weiter. Mühldorf war Endstation. Therese machte sich mit ihren Koffern auf den Weg in Richtung Ecksberg. Ein langer Fußmarsch stand ihr bevor.“

Mit dieser Schilderung leitete Michael Kammergruber das Kapitel „Auf dem Weg in ein neues Leben“ ein, das in dem Buch „Alle unsere Kinder“ die Jubilarin beschreibt, deren bürgerlicher Name Therese Reiter ist.

Seit dem langen Fußmarsch sind viele Jahrzehnte vergangen. Schwester Pia, so ihr Schwesternname, erlebte die schwere Zeit der 1950er- und 1960er-Jahre, in denen sich die Stiftung Ecksberg von den zerstörerischen Jahren des Nationalsozialismus nur sehr langsam erholte.

In den 1970er-Jahren gelang es durch die neue Sozialgesetzgebung, die Lebensbedingungen in Ecksberg deutlich zu verbessern. Dieser Aufschwung ging mit einem steten Rückgang der Zahl der Ordensschwestern einher, denn seit Ende der 1960er-Jahre verzeichnete der Orden keine Eintritte mehr. So wirkten im Jahr ihres Eintritts in den Orden noch rund 100 Ecksberger Schwestern, wovon Schwester Pia und ihre Mitschwester Engelberta heute die einzigen verbliebenen Ordensfrauen sind. Schwester Pia sah seit Ende der 1980er-Jahre die Einrichtung stetig wachsen und kann rückblickend feststellen, dass ihr langjähriges Engagement Früchte getragen hat.

Angehörige, Mitarbeiter, Mitschwestern und der Vorstand ließen die Jubilarin hochleben.

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