Rosenheim/München – „Wir kommen zurück, das wird wieder“ – einen Tag nach Bekanntwerden des schweren Cyberangriffs auf den Caritas-Verband München-Freising gibt man sich dort optimistisch. Obwohl das ausgelöste Chaos groß und die Bedrohung noch nicht vorbei ist.
Dass da etwas nicht läuft, wie es soll – das fiel einem Mitarbeiter des Caritas-Verbandes erstmals vergangenen Samstag auf. Zunächst ging er von einer großen Störung mit normalem Ursprung aus. Nach Check der Systeme aber kam er schnell zu dem Schluss: Da ist nichts normal.
Krisenstab arbeitet
bereits an Lösungen
Der Caritas-Verband, dessen Zentrale im Münchner Stadtbezirk Marsfeld liegt, setzte noch am Sonntag einen Krisenstab ein. Gegen 14 Uhr wurde dann die Polizei über einen Angriff auf die digitale Infrastruktur des Vereins informiert. Den Beamten wurde mitgeteilt, dass das EDV-System des Vereins im Verlauf des Wochenendes von einer Schadsoftware befallen worden sei und dadurch Dateien verschlüsselt wurden.
Der oder die Datenräuber hinterließen auf einem der mehr als 100 Server außerdem eine Nachricht. Sie fordern für die Entschlüsselung der Daten Lösegeld in einer Kryptowährung. Die bittere Erkenntnis für den Sozialverband: Neben dem „Daten-Kidnapping“ durch die Verschlüsselung wurden offenbar auch noch Daten abgegriffen.
Weitere Details zum Verbrechenshergang und den Ermittlungen werden im Moment nicht veröffentlicht. Dafür wird das Bild der Schäden durch den Angriff für die Caritas immer klarer. Angeblich sollen die Mitarbeiter informiert worden sein, sich auf mindestens vier Wochen analoges Arbeiten einzustellen. Viele Problemfelder entstehen.
Seniorenheime: Aktuell werden dort alle Daten, die die Medikation der Bewohner betreffen, überprüft. Die Mitarbeiter rufen dazu Apotheken und Hausärzte an. Zwar liegen diese lebenswichtigen Angaben auch analog als Papierakten vor, doch wolle man wohl sichergehen, dass die Unterlagen auch tagesaktuell seien, erklärt Bettina Bäumlisberger, Sprecherin des Verbandes, die Maßnahme. Bäumlisberger allein darf in der momentanen Krisensituation Auskünfte geben.
Altenheime sind ein wichtiges Feld des Caritas-Verbandes München-Freising: In den Regionen Mühldorf, Rosenheim, Traunstein und Berchtesgadener Land betreibt der Verband zehn Heime mit 1014 Bewohnern und ebenso vielen Mitarbeitern.
Anträge aller Art: An Ausdrucken von Formularen besteht kein Mangel. Drucker und Kopierer funktionieren auch vom Netzwerk unabhängig. Aber ausgefüllt werden muss jetzt alles per Hand. Was extrem zeitraubend ist für Mitarbeiter wie Hilfesuchende.
Kommunikation: Sämtliche Mail-Konten von Caritas-Mitarbeitern funktionieren nicht. Anfragen können so nicht bearbeitet werden. Laut Bäumlisberger werde an einer neuen, sicheren Kommunikationsalternative gearbeitet. Sie verweist bis dahin auf eine Kommunikations-Antiquität: das Fax, von dem die Caritas allerorts noch reichlich Geräte zur Verfügung habe. Es sei „das sicherste Kommunikationsmittel überhaupt“. Das Telefon erlebt ebenso eine Rückkehr zu alter Wichtigkeit, denn die meisten Anschlüsse funktionieren.
Spenderdaten: Im Jahr 2020 hatten die Leser der OVB-Heimatzeitungen für das Christophorus-Haus in Brannenburg 1,2 Millionen Euro in rund 17000 Einzelspenden gegeben. Auch ihre Daten liegen dadurch auf den Servern des Caritas-Verbandes. Definitiv sagen kann und will es noch keiner, aber hier könnte der Caritas-Verband München-Freising Glück gehabt haben. Denn Spenderdaten sollen auf externen Servern gespeichert sein. Diese könnten beim Angriff außen vor geblieben sein.
Bäumlisberger bleibt zurückhaltend bei der Frage, wann man Genaueres wisse: „Die Analyse läuft. Das wird sicher länger als ein, zwei Tage dauern.“
Der Caritas-Verband München-Freising betreut das Gebiet München und Oberbayern. Er unterhält hier insgesamt 350 Einrichtungen von Altenheimen über Kitas bis zu Beratungsstellen. Rund 10 000 Menschen arbeiten dort. In Stadt und Landkreis Rosenheim werden von 1500 Mitarbeitern in rund 60 Einrichtungen jährlich 14000 Menschen versorgt.
Im Landkreis Traunstein gibt es sieben Einrichtungen mit 250 Mitarbeitern, die sich jährlich um bis zu 5000 Menschen kümmern. Im Kreis Mühldorf werden von 80 Mitarbeitern in acht Einrichtungen und Diensten mehr als 430 Menschen betreut. Im Kreis Berchtesgadener Land unterstützen in 19 Einrichtungen 164 Mitarbeiter fast 4000 Menschen im Jahr.