Niedertaufkirchen – PingPongParkinson ist nicht nur ein einprägsamer Name, sondern steht für eine Bewegung: Menschen mit Parkinson-Erkrankung spielen Tischtennis. Sie haben Spaß dabei und die Ballsportart hat einen positiven Einfluss auf die Symptomatik der Krankheit. Und da alle Sportler sich gerne messen, gibt es die Quooker PingPongParkinson German Open – ein internationales Turnier, das an diesem Wochenende in Düsseldorf stattfindet. Ausgetragen vom PingPongParkinson Deutschland e.V. (PPP) und Borussia Düsseldorf. Mitten drin statt nur dabei: Zwei Sportler aus dem Landkreis Mühldorf.
Nach der Diagnose
in einer Depression
Über 200 Teilnehmer aus 15 Nationen werden an den vier Tagen im Deutschen Tischtennis-Zentrum an den Start gehen. An 40 Tischen werden fünf Wettbewerbe mit je drei Spielklassen ausgetragen. Und damit niemand nach einem Spiel ausscheidet, gibt es jeweils eine Vor- und Hauptrunde und sogar eine Trostrunde. „Bis zum Viertelfinale dieser Trostrunde hatte ich es im vergangenen Jahr geschafft“, erinnert sich Hubert Roßkothen an seine erste Teilnahme an diesem Turnier im vergangenen Jahr in Bad Homburg. „Diesmal habe ich mir größere Ziele gesetzt.“
Der 60-Jährige weiß seit 2019, dass er an Morbus Parkinson leidet, hat über den Sport zurück ins Leben gefunden, fühlt sich wohl, wenn er sich an der Tischtennisplatte bewegen kann. „Denn die erste Zeit nach der Diagnose war nicht schön“, berichtet der Landwirt aus Stetten, Gemeinde Niedertaufkirchen. Er sei über einen längeren Zeitraum hinweg depressiv gewesen, erzählt Roßkothen. Vor vier Jahren habe er sich deswegen in ärztliche Obhut begeben. Er wurde durchgecheckt, landete dabei in der Neurologie in Wasserburg, wo er die Diagnose Parkinson gestellt bekam. Die Depression sei eine der Symptome dieser Krankheit, weiß Roßkothen heute. „Ich habe anfangs geweint wie ein Schlosshund“, gibt der gestandene Landwirt mit dem festen Händedruck zu. Der behandelnde Arzt habe ihn noch aufheitern wollen: Die Krankheit sei zwar nicht heilbar, aber man werde auch nicht daran sterben. Kein Trost für Roßkothen, der sich daraufhin zurückgezogen hat.
Die Landwirtschaft wie gewohnt weiter zu betreiben, daran war nicht mehr zu denken. Das Vieh hat er deswegen aufgegeben, Ackerbau betreibt Roßkothen nach wie vor. Aber alles eben langsamer. Im Kopf geht auch alles langsamer, sagt Roßkothen, er hat Wortfindungsstörungen, schlurft beim Gehen. Die Bewegungen sind anstrengender geworden. Am schlimmsten sei die Gelenksteife. „Ich habe mich abgeschottet, den Freundeskreis vernachlässigt.“ Was Roßkothen aus seiner Zurückgezogenheit herausgeführt hat? Die Parkinson-Selbsthilfegruppe, die Petra Rebitzer seit zwei Jahren in Waldkraiburg leitet. Seit 2022 leitet sie als Stützpunktleiterin die PingPongParkinson-Gruppe beim TSV Ampfing.
Das hat Roßkothen, der als Jugendlicher schon gerne Tischtennis gespielt hat, neugierig gemacht. Und so habe er den Telefonhörer in die Hand genommen und sich erkundigt: „Bewegt ihr euch schon? Oder sitzt ihr bloß beim Kaffee?“ Zugegeben etwas flapsig, wie er heute sagt. Aber der Kontakt war geknüpft.
„Daheim im Sessel sitzen und Trübsal blasen oder Maßnahmen, um den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen?“ Um diese beiden Optionen gehe es, sagt Rebitzer. „Selbst wenn es noch keine wissenschaftlichen Beweise gibt, sind sich alle Betroffenen, die es ausprobiert haben, sicher: Die fortschreitende Verschlechterung der Symptome der Parkinson-Krankheit kann durch Tischtennis als physikalische Therapie verlangsamt werden“, erklärt Rebitzer, die selbst 2014, damals als erst 41-Jährige, die Diagnose der Parkinson-Erkrankung gestellt bekam.
Roßkothen hat es ausprobiert. Begonnen, den Tischtennisschläger in die Hand zu nehmen, und bestätigt: „Ich bin zwar nach zwei Stunden Training platt, aber voller Glückshormone. Die Entscheidung, Tischtennis zu spielen, war für mich ein guter Anker.“
Roßkothen hat sich große Ziele gesetzt
Vor allem, weil er sich unter Gleichgesinnten gut aufgehoben fühlt, „wie in einer großen Familie.“ Er empfiehlt jedem, der die Diagnose erhalten hat, offen damit umzugehen. „Viele trauen sich nicht. Aber ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Raus aus den Häusern, ran an die Platte!“
Auch wenn er sagt, dass er sich auf das Zusammengehörigkeitsgefühl und auf das Treffen lieb gewordener Freunde bei den German Open am meisten freut, hat ihn natürlich auch der sportliche Ehrgeiz gepackt: Besser als die Trostrunde im vergangenen Jahr soll es heuer dann doch laufen, wenn er neben Petra Rebitzer an die Platte geht. Zuversicht gibt ihm das Ergebnis der Weltmeisterschaft, die er im vergangenen Jahr im kroatischen Pula gespielt hat. Da schied er in der Hauptrunde erst im Achtelfinale gegen den späteren Weltmeister aus.